Urlaub an der Belgischen Küste – Tag 7: Brügge die Zweite und Lichterfest in Lissewege
Nun war auch schon der letzte Tag der ersten Urlaubswoche angebrochen – wie schnell doch wieder die Zeit verging. Leider begann der Tag auch mit einer negativen Überraschung, denn Milly hatte ordentliche Kopf- und Halsschmerzen, weswegen sie den Vor- und Nachmittag erstmal im Bett verbrachte. Sie wollte allerdings auch nicht, dass ich den ganzen Tag im Zimmer rumsitze, also habe ich ihr zunächst etwas zum Essen hochgebracht bevor ich selbst gefrühstückt hatte.
Danach habe ich mich aufgemacht in den Tag. Es sollte heute recht bewölkt bleiben und auch ein paar Regentropfen war vorhergesagt, also wollte ich die Zeit nutzen, um nochmal nach Brügge zu fahren und dort die Brauerei De halve Maan zu besichtigen, da dies Milly eh nicht so interessiert hatte.
Bis der Bus allerdings fuhr, blieben mir noch knappe 50 Minuten und die habe ich für einen kleinen Rundgang durch Blankenberge genutzt. Der Ort ist auf den ersten (und für die meisten auch auf den zweiten) Blick sicher nicht sonderlich erwähnenswert, da der Großteil aus Nachkriegsarchitektur besteht und insbesondere die Strandpromenade mit großen neuen Betonburgen zugepflastert ist.
Wer jedoch aufmerksam durch die Straßen spaziert, der kann hier und da noch das Erbe der großen Zeit der Seebäder entdecken. Es war um die Jahrhundertwende zwischen 1890 und 1914, als die Europäer sich ein ein klein wenig Wohlstand erwirtschaftet hatten und die Reise zum Meer ein beliebtes Ziel wurde. Die Seebäder wurden im Stil der damaligen Zeit errichtet, was der Jugendstil (oder Belle Epoque) war. Doch die Weltkriege und die anschließende mangelnde Wertschätzung des Erbes führten dazu, dass heute noch nur wenig von dem einstigen Glanz zu sehen ist.
Insofern sind es Gebäude wie unser Hotel, die heute noch etwas von der Geschichte erzählen und einige Mosaike und Schmiedearbeiten an den Fassaden.
Es gibt auch einen extra Rundgang zu dem Thema und ein kleines Museum, aber die habe ich mir für die kommenden Tage aufgehoben. Stattdessen war es Zeit, zum Bus zu gehen und nach Brügge zu fahren.
Es war recht viel Verkehr heute und so staute es sich auf der Fahrt in die Stadt, weswegen ich diesmal auch schon einige Stationen früher ausgestiegen bin. Dies gab mir allerdings auch die Gelegenheit, beim Ezelpoort – einem der vier historischen Stadttore vorbei zu schauen.
Das Tor wurde im Rahmen der Errichtung der 2. Stadtmauer erbaut, was um 1297 war. Allerdings wurde es nur knapp 70 Jahre später bereits umgebaut und die baulichen Änderungen sollten sich auch die folgenden Jahrhunderte fortsetzen.
Heute ist nur noch der untere Teil des Tores original erhalten, während der obere Teil aus einem Umbau aus dem 17. Jahrhundert stammt.
Schön ist die Lage des Tores vor allem wegen dem hier verlaufenden Kanal und den davor angesiedelten Schwänen und Gänsen. Ich habe mir vorgenommen, hier nochmal einen Abend hinzukommen, wenn das Tor beleuchtet ist.
Nun hieß es aber erstmal weiterziehen und dazu ging es in die Straße, die dem Stadttor ihren Namen gab – die Ezelstraat (Eselstraße).
Wie überall in Brügge ist zwar das Gesamtbild der Straße mit ihrem mittelalterlichen Erscheinungsbild schon sehenswert, aber die wirklichen Schätze verbergen sich in den Details, die man entdeckt, wenn man etwas genauer hinschaut. Leider hatte es gerade begonnen, etwas zu regnen, aber noch nicht so stark, dass man einen Schirm brauchte und so bin ich langsam durch die Straße geschlendert, während mein Blick nach allen Seiten Ausschau hielt nach lohnenden Fotomotiven.
Kurze Zeit später passierte ich dann einen weiteren Kanal und hier befand sich ein Café/Restaurant, dessen Schaufenster interessant war, da es in Käfigen und Gefäßen allerlei gesammelte Wecker vereinte. Ziemlich kurios, aber irgendwie auch passend zu dieser Stadt.
Nur wenige Meter später erreichte ich dann die St. Jakob-Kirche (Sint-Jacobskerk), welche dem Apostel Jakob gewidmet ist. Hier bin ich kurz hineingegangen. Die Kirche ist recht schlicht gehalten, hat aber eine schöne Kanzel und auch ein paar sehenswerte Glasfenster.
Von hier aus war ich dann auch schnell auf dem Marktplatz, wo ich allerdings nicht lang blieb, denn ich wollte ja die Brauereiführung noch machen.
Um dort hin zu kommen, musste ich auch wieder an der Liebfrauenkirche vorbei, wo gerade ein Leierkastenmann charmant seine Lieder zum besten gab.
Durch einige verwinkelte Gassen kam ich dann schließlich beim Gebäude der Brauerei De halve Maan (Der Halbmond) an und habe mir dort ein Ticket für die nächste Führung um 14 Uhr gelöst. So blieb vorher aber noch etwas Zeit, um Milly kurz anzurufen, um zu schauen, ob es ihr besser geht und ein wenig die Gegend zu erkunden. Auch hier verläuft wieder ein Kanal und ein kleines Stadttor ist auch noch zu finden.
Historisch bedeutender ist jedoch eine andere Anlage, die sich in unmittelbarer Nähe befindet.
Es ist der Brügger Beginenhof – wobei ich vor diesem Urlaub noch nicht gewusst hatte, was Beginen sind. Es handelt sich hier um eine alte Tradition, welche vor allem in Flandern und den Niederlanden zu finden war. In nach außen abgeschlossenen Höfen lebten hier früher Frauen, welche sich nicht einem Ordensgelübte verpflichtet hatten, aber dennoch ein Leben im Dienste Gottes führen wollten. Früher gab es über 80 dieser Anlagen, von denen heute aber nur noch 30 erhalten sind, vor allem in Belgien. Seit einigen Jahren gehören sie auch zum Unesco Weltkulturerbe.
Für mehr als einen kleinen Rundgang reichte die Zeit allerdings nicht mehr, denn meine Brauereiführung wartete.
Einst gab es mehr als 30 Hausbrauereien in Brügge, von denen diese hier die letzte verbleibende ist. Es gibt zwar noch weitere Braustätten in der Stadt, doch diese sind entweder eine kleines Kellergewerbe, oder aber schon industrieller Natur, so dass der hiesigen Brauerei eine kleine Sonderstellung zukommt.
De halve Maan ist seit 6 Generationen oder anders gesagt seit mehr als 150 Jahren in Familienbesitz und bis heute ist das Zepter innerhalb der Familie von Generation zu Generation weitergegeben worden. Da man sich an die heutigen Gegebenheiten angepasst hatte und in moderne Technik und Marketing investiert hat, schafft es die kleine Brauerei, sich auch in dieser Zeit gegen die großen Bierhersteller zu behaupten und ihre Niche zu besetzen.
Natürlich gehört noch ein anderes Merkmal für den Erfolg dazu: Qualität. Mit Quantität kann die Brauerei nicht dienen. Gerade mal 50.000 Hektoliter werden pro Jahr produziert, wobei es durchaus auch das doppelte sein könnte, wenn man sich nicht selbst die Beschränkung auferlegt hätte, nur drei Mal pro Woche zu brauen. Die Braukessel selbst sind dabei alles andere als historisch, sondern sind modernste Technik aus Deutschland, die gerade erst vor wenigen Jahren eingebaut wurde. Bei dem Umbau wurde aber darauf geachtet, dass die historischen Anlagen weiterhin erhalten bleiben und so ist das Gebäude heute bis auf den letzten Zentimeter vollgestopft, da es eigentlich nie für diese Menge an Geräten ausgelegt war. Auf der anderen Seite wollte man aber auch das historische Erbe bewahren.
Einen Grund, warum die Brauerei das Sterben der Hausbrauereien überlebt hat, ist eine geniale Idee des Braumeisters gewesen, Bier in Flaschen nach Hause zu liefern. Bis dahin gab es Bier nur in Kneipen/Lokalen aus dem Fass zu kaufen und so stellte dies einen ganz neuen Vertriebsweg dar, den bislang noch kein anderer in Brügge gegangen war.
Höhepunkt (im Sinne des Wortes) bildete dann der Ausblick vom Dach des Gebäudes über Brügge. Leider war es heute so zugezogen, aber trotzdem lohnte der Blick von hier oben.
Kurz darauf waren wir wieder unten und unserer Führung vorrüber. So blieb nur noch, ein Bier zu trinken, welches im Preis der Führung inbegriffen war. Es war das moderne, helle Bier der Brauerei, welches mir aber nicht ganz so gut geschmeckt hatte, wie der Straffe Hendrik einige Tage zuvor.
Damit ging es denn weiter, denn mir blieb noch etwas Zeit, bis ich wieder zurück nach Blankenberge wollte. Von daher bin ich wieder zurück ins Zentrum gelaufen auf den Burgplatz.
Dort befindet sich die Heilig-Blut-Basilika, welche eine Ampulle vom Blut Christi besitzt, eine der wichtigsten Relikien des Christentums. Während die untere Basilika, welche ich vor wenigen Tagen besichtigt hatte recht schlicht war, war das obere Geschoss ein ganz anderes Kaliber. Ein Raum voller Prunk, Malereien und wunderschönen Glasfenstern. Ich hatte auch Glück, dass ich gerade noch rechtzeitig gekommen war, um noch die Ampulle mit dem Blut Christi zu sehen, bevor sie für heute wieder weggebracht wurde. Die Ampulle enthält eine Art Granulat, welches leicht rötlich gefärbt ist. Auf jeden Fall gehört diese Basilika zu den beeindruckendsten Orten in Brügge, auch wenn man ihn so leicht übersehen kann.
Nun ging es aber ab in Richtung des Busbahnhofs, nicht aber, ohne vorher noch das dort in der Nähe befindliche Smedenpoort zu besichtigen – ein weiteres der noch vier erhaltenen Stadttore. Es ist das zweite Tor an dieser Stelle, welches ab 1367 erbaut wurde.
Damit war der Tag in Brügge aber endgültig zu Ende und ich bin zur Busstation gelaufen und zurück nach Blankenberge gefahren.
Milly ging es etwas besser und so wollten wir am Abend noch nach Lissewege fahren, wo heute ein Lichtfest ist. Vorher blieb aber noch etwas Zeit zum Entspannen.
Das Fest sollte um 21 Uhr losgehen und daher sind wir gegen halb 8 losgefahren. Wir haben das Auto genommen, da mit Zug oder Bus der Ort nicht oder nur auf Umwegen erreichbar ist. Gerade als wir losgefahren sind, begann es erstmal ordentlich zu regnen, obwohl es am Abend trocken bleiben sollte. Wir sahen unseren Ausflug schon schwinden, aber gottseidank ließ der Schauer schon kurz darauf wieder nach.
Lissewege ist ein typisches flämisches Polderdorf, welches sich seinen ursprünglichen Charakter bis heute erhalten hat. Kennzeichnend sind dafür auch die weißen Häuser und der kleine Kanal, der durch den Ort verläuft.
Das der Ort mal recht wohlhabend sein musste, davon zeugt die überdimensionale Kirche, welche wir uns vor dem Fest angeschaut hatten. Nur um es in ein Verhältnis zu setzen: das Dorf hat gerade mal 300 Einwohner! Die Ursache liegt aber auch in einer Sage begründet, nach der Fischer vor vielen Jahrhunderten eine Figur im Strandsand fanden, die sie als Maria erkannten. Die Fischer nahmen die Figur mit in ihr Heimatdorf Heist, doch am folgenden Tag befand sich die Figur abermals am Strand. Dieses Spiel wiederholte sich noch einige Male und so sah man darin ein Zeichen eine (damals noch kleine) Kirche zu bauen, die sich in den folgenden Jahrhunderten zum Wallfahrtsort entwickelte. Der Ort wurde sogar zum Zwischenstop auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Zum Schutz der Pilger dienten die Tempelritter und sie sollen es auch gewesen sein, die die heutige, zweite Kirche stifteten.
Man kann auch auf den Kirchturm hinauf, was wir uns aber heute gespart hatten.
Danach sind wir über das Fest gelaufen, wo zahllose Kerzen die Straßen in warmes Licht tauchten. Auf dem Marktplatz waren zusätzlich noch einige Feuer aufgebaut und es wurde (für unserem Geschmack etwas zu laute) Musik gespielt.
Wir sind hier noch etwas rumgelaufen, doch irgendwann war es dann Zeit gewesen, wieder nach Hause zu fahren, denn der Tag war lang genug gewesen und Milo brauchte auch seinen Schlaf, auch wenn er die ganze Zeit schon an meinem Bau genickert hatte.
Damit endete dann auch die erste Woche in Blankenberge – eine schöne Woche!