Reisebericht: Von Stars, Flowerpower und Gletschern – Eine Alaska-Kreuzfahrt. Teil 4: Ketchikan

Nachdem wir verspätet aus San Francisco abgefahren sind, wartet am nächsten Tag bereits eine schlechte Nachricht auf alle Passagiere. Unser Schiff hatte ein Problem mit einer der Schiffsschrauben und konnte nicht auf voller Leistung fahren. Nun war es jedoch nicht so schlimm, dass man die Kreuzfahrt abbrechen hätte müssen, aber das langsamere Tempo forderte dennoch Einschnitte und so fiel unser nächster Halt in Seattle schonmal aus. Schade, denn auf diese Stadt hatte ich mich auch gefreut. Ebenso wurde der Stop in Sitka, Alaska gestrichen und unsere Zeit am Hubbard Gletscher gekürzt. Das alles haben die Leute an Board noch mit Fassung getragen, doch dann brachte die Reederei das Fass zu Überlaufen, indem man sich weigerte, auch nur irgendeine Entschädigung dafür an die Passagiere zu geben.

Das ganze führt dazu, dass einige Passagiere große Versammlungen einberiefen, Pressekontakte genutzt wurden und wir sogar den Kapitän dazu brachten, eine Fragestunde durchzuführen. Doch in Punkto Entschädigung waren wir bislang nicht weiter, als dass wir ein paar Getränkegutscheine hatten. Immerhin führte dieses Spektakel dazu, dass die 3 Seetage nicht langweilig wurden.

Auch wenn die Enttäuschung über die Änderungen des Reiseverlaufs groß war, wollte ich genauso wie die meisten Gäste, mir nicht die ganze Kreuzfahrt verderben lassen und so blieb ich insgesamt gut gelaunt, denn ich war noch immer auf einem schönen Schiff mit netten Leuten.

Schließlich gab es dann zumindest wettertechnisch eine Entschädigung, denn als wir in Ketchikan, Alaska eingelaufen sind, erwartete uns ein für Alaska um diese Zeit untypisch gutes Wetter. Aber nicht nur das Wetter, die gesamte Szenerie zog mich von Beginn an in den Bann.

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Umgeben von grünen Bergen und Wasser lag die Stadt wie ein verträumtes Nest am Ende der Welt. Neben uns landeten ständig Wasserflugzeuge, denn diese sind für die komplette Versorgung zuständig. Straßen und Autos gibt es zwar auch, doch die meisten Straßen enden bereits wenige Kilometer hinter der Stadt und man braucht Fähren, um an andere Orte zu kommen. Daher sorgen die Wasserflugzeuge dafür, dass Post, Lebensmittel und dringende Lieferungen schnell an ihren Zielort kommen. Daneben sind sie auch als Taxi und für Ausflüge nutzbar.

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Ketchikan selbst ist eine der größten Städte Alaskas, genauer gesagt ist es die fünftgrößte mit knapp 8000 Einwohnern. Sie wird auch als die Lachshauptstadt der Welt bezeichnet. Mein Interesse galt jedoch zunächst weniger den Lachsen, als vielmehr den Vögeln, denn als heutiger Ausflug stand Eagle-Spotting (Adler-Sichtung) auf dem Programm.  Dazu ging es mit einem Bus zunächst ein paar Minuten vom Schiff weg hin zu einem Anlegesteg, wo wir unser Schiff für die Tour finden sollten.

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Die Tour selbst bestand dann im Wesentlichen daraus, Ausschau zu halten wo sich Seeadler aufhalten. So leicht war das gar nicht, denn die Vögel in den Bäumen zu finden, glich einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Doch unser Guide hatte einen nützlichen Hinweis: wir sollten nach Golfbällen in den Bäumen schauen, denn genauso schaut der Adlerkopf aus der Entfernung aus. Damit hat es dann auch besser geklappt und wir konnten viele dieser beeindruckend schönen Tiere – wenn auch nur aus der Ferne – sehen.

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Unterwegs kamen wir auch an einer alten Holzfabrik samt ihrem schwimmenden Dorf vorbei. Beides war jedoch schon längst verlassen.

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Im Laufe der Fahrt waren wirklich einige Weißkopfseeadler zu sehen. Es sind tolle Tiere, die eine mächtige Flügelspanne von bis zu 2,3m erreichen können und bis zu 6kg wiegen können. Sein europäischer Verwandter ist der Seeadler, der jedoch nicht über den charakteristischen weißen Kopf verfügt. Das man heute die Adler hier noch findet, war in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts alles andere als sicher, denn Jagd und Gifte haben den Adler fast ausgerottet. Mittlerweile steht er jedoch unter Naturschutz und sein Bestand hat sich soweit erholt, dass er nicht mehr als bedroht gilt.

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Auch ein paar Totempfähle gab es von unterwegs zu sehen (mehr dazu später) und an Bord war auch noch der Hund des Schiffsbesitzers, der wachsam über die See blickte:

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Auf unsere Fahrt sind wir dann auch in die Nähe der Guard Islands gekommen, einem Inselpaar mit einem Leuchtturm drauf. Der erste Leuchtturm an dieser Stelle wurde 1903 errichtet, zur Zeit des Goldrausches, als viele Seefahrer im Inseldickicht Alaskas ums Leben kamen. Doch nach weniger als 20 Jahren hatte das harte Klima dem Holzturm den Garaus gemacht und es wurde ein zweiter Leuchtturm errichtet, diesmal aus Stein. Mehr zu diesem Leuchtturm kann man hier lesen (englisch): Guard Island Lighthouse.

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Auch auf dem Rückweg gab es noch den ein oder anderen Adler zu sehen sowie einige tolle Häuser an der Küste, deren Garagen jedoch z.T. keine Autos, sondern kleine Helikopter enthielten.

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Schließlich waren wir wieder zurück an Land und es ging wieder in die Stadt, wo ich im Anschluss noch einen Rundgang gemacht habe.

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Ketchikan ist ein hübsches kleines Städtchen. Typisch amerikanisch mit einem Rest Flair aus der Zeit des Goldrauschs. Bekannt ist die Stadt aber auch für die Totempfäle, die es hier und in den umliegenden Gebieten gibt.

1885 wurde die Stadt gegründet und bereits ein Jahr später siedelte sich die erste Konservenfabrik an. Grund hierfür waren die reichen Fischgründe vor Ketchikan. 1912 waren es bereits 5 Fabriken. In den 1890er Jahren gab es sogar sowas wie einen kurzen Goldrausch.

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Auf dem rechten Bild oben ist der Chief Johnson Totempfahl. Er ist eine 1989 errichte Replik des originalen Pfahls, der zuvor in der Stadtmitte stand und festigt den Anspruch des Tongass-Stamms auf sein angestammtes Land. Ein Totempfahl hat übrigens nichts mit toten Menschen oder Tieren zu tun – zumindest nichts zwangsweise. Viele Pfähle erzählen Mythen oder Geschichten, andere zeigen Traditionen und Bräuche und wieder andere sind reine Kunstwerke. Dieser hier symbolisiert die Geschichte von Raven und der Nebelfrau:

Die Legende von Raven and the Fog Woman

Raven und seine zwei Männer waren Fischer und eines Tages waren sie zuweit herausgefahren und fanden sich in dickem Nebel wieder. Als sie keine Orientierung mehr hatten, erschien plötzlich neben ihnen eine wunderschöne Frau, die sie bat, ihr zu folgen, denn sie würde sie in Sicherheit bringen. Sie folgten der Nebelfrau und Raven verliebte sich in sie und sie lebten fortan zusammen. Sie waren glücklich, bis eine Hungersnot das Dorf überfiel. Einzig Ravens Frau schien immer Lachs in ihrem Topf zu haben. Raven war neugierig und folgte seiner Frau heimlich zum Bach (Creek). Er sah, wie sie im Bach mit den Fingern kreiste und die Lachse daraufhin zu ihr sprangen. Er war erstaunt und fragte seine Frau, wie sie dies mache, doch sie wollte ihm nicht antworten. Er fragt sie erneut, doch sie weigerte sich erneut. Da drohte er ihr, sie möge ihm sagen, wie sie an die Lachse kommt, oder verschwinden. Die Nebelfrau löste sich darauf hin in Nebel auf und verschwand aufs Meer. Von dort rief sie ihm zu „Ich werde immer als Nebel zu dir zurückkommen, aber ich bringe auch die Lachse in der Strömung mit, so dass ihr jederzeit genug zu Essen habt“. Und so kam es zum Lachsreichtum in Alaska.

Es gibt einen ganzen Park mit Totempfählen in der Nähe, doch leider fehlte mir die Zeit ihn damals zu besuchen. Was ich dagegen noch angeschaut habe war die Creek Street:

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Die Creek Street ist die wohl bekannteste Straße der Stadt, wobei Straße etwas zu viel gesagt ist, denn eigentlich handelt es sich um eine Reihe von Pfahlhäusern am Bach, die durch einen Fußweg verbunden sind. Creek Street, dass steht auch für das verruchte Ketchikan in den 1920er Jahren. Hier regierten Fischer, Schmuggler und Prostituierte. Allein 20 Rotlichtvierteletablissements gab es zu dieser Zeit. Ein kleiner Bummel über die Straße lässt die Vergangenheit wieder auferstehen, wenn da nicht die ganzen Kreuzfahrttouristen wären…

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Schließlich bin ich noch zu einer Adlerpflegestation gegangen, wo Adler mit Verletzungen gesund gepflegt werden und soweit möglich dann wieder frei kommen.

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In der Nähe war dann auch noch eine Lachsaufzuchtstation. Das folgende Bild zeigt die verschiedenen Entwicklungsstadien eines jungen Lachses.

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Zuletzt blieb dann noch der Weg zurück zum Schiff quer durch eine Siedlung, die direkt in den Berg gebaut war und lediglich mit Treppen verbunden war. Mit dem Auto war nicht jedes Haus erreichbar – wer also sein Bier daheim haben will, musste Treppen mögen und starke Arme haben 😉

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Damit war mein Ausflug in Ketchikan auch zu Ende und das bei einem einfach tollen Wetter. Der Tag hatte sich mehr als gelohnt und entschädigte etwas für das verpasste Seattle.

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Am Nachmittag haben wir dann Ketchikan wieder verlassen und sind weitergefahren zu unserer nächsten Station. Und während das Schiff sich langsam fortbewegte wurde es Zeit für etwas Unterhaltung und gutes Essen an Board.

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