Bye bye Lightroom? Nach fast 15 Jahren arbeite ich nun mit Capture One Pro

Ja, ihr habt richtig gelesen. Nach all den Jahren und all der Zeit, die ich mit Lightroom als zentrale Fotolösung verbracht habe, habe ich 2021 mich entschlossen, einen Neuanfang zu wagen – und zwar mit Capture One Pro.

Das Programm hatte ich euch vor kurzem in einem Testbericht schonmal vorgestellt. Wer mehr dazu wissen will, kann einfach hier klicken.

In diesem Artikel möchte ich euch kurz beschreiben, warum konkret ich diesen Schritt gegangen bin. Es geht also um die Punkte, die mich zum Wechsel bewogen haben (und auch um die Punkte, die keinen Einfluss hatten).

Vorweg: Es mag vielleicht konträr zu meinem Wechsel klingen, aber ich bin auch weiterhin der Meinung, dass Lightroom die komplettere Lösung für Fotografen ist und damit in Summe auch das bessere Gesamtpaket.

Auch das Abo-Modell von Adobe habe ich nie als wirklichen Nachteil empfunden. Ich hatte eh jedes Lightroom-Update zuvor gekauft und insofern hatte das Abo für mich ein super Preis-Leistungsverhältnis. Im Angebot hatte ich meist unter 90 EUR pro Jahr bezahlt und das für Lightroom, Photoshop, Handy-Synchronisation, kostenlose Webseite und 20GB Cloudspeicher. Das sind rund 7,50 EUR pro Monat. Aus meiner Sicht ist das fair für das Gebotene.

Warum aber dann der Wechsel?

Obwohl ich nie wirklich unzufrieden mit Lightroom war, hatte ich doch nicht übersehen können, dass die Konkurrenz gerade im Bereich der Bearbeitung von Fotos schneller neue Funktionen bringt, als es Adobe tut. Es kamen zwar immer mal wieder neue Funktionen (wie Luminanz- und Farbmasken) hinzu, aber das Grundset änderte sich in den letzten Jahren nur noch in sehr kleinen Schritten. Von daher hatte ich mir auch schon Luminar 3/4/AI, On1 PhotoRaw und ACDSee angeschaut, bin aber mit keinem der Programme wirklich warm geworden. Irgendwie war es immer so, dass es in den Programmen schwieriger war, ein ähnlich zufriedenstellendes (oder besseres) Ergebnis als in Lightroom zu erzielen. Und im Bereich der Bildverwaltung hat Lightroom diese Konkurrenz quasi mühelos geschlagen.

Nun habe ich aber seit einem Jahr bereits Teile der Bildverwaltung in Lightroom nicht mehr genutzt, da ich mir hierfür meine Photography Toolbox selbst gebaut hatte, die diese Funktionen abbildet und das in einer für meine Arbeit besseren Weise.

Insofern war Lightroom für mich seitdem eigentlich nur nur ein RAW-Bearbeiter und damit der Nachteil der schlechteren Bildverwaltung in anderen Programmen nicht mehr so relevant wie früher, wo ich ein Programm für alles genutzt hatte. Trotzdem blieb es dabei, dass On1 PhotoRaw hinsichtlich der Bildergebnisse einfach nicht so einfach und gut zu bedienen war wie Lightroom und Luminar schlichtweg unbrauchbar auf meinem Laptop war hinsichtlich der Performance.

Warum nun also Capture One Pro?

Bei Capture One Pro war es erstmals so, dass die Bearbeitung auf ähnlichem Niveau wie in Lightroom erfolgen konnte. In manchen Fällen ist Lightroom zwar etwas schneller, dafür dreht sich das bei anderen Bildern wieder um, so dass die beiden Programme grundsätzlich gleichauf sind.

Was mich dann aber zum Wechsel bewogen hat, ist, dass ich schneller/effizienter an gleichwertige Bearbeitungsergebnisse komme und das bei höherer Genauigkeit im Bereich der Maskierung und natürlicherer Farbwiedergabe. Es sind also die beiden Gründe

  • Bessere Maskierung und
  • Effizienz

welche mich zum Wechsel bewogen haben.

Bessere Maskierung

Auch wenn die Funktionen beider Programme grundsätzlich gleich sind (bis auf HDR/Panoramen, welche aber mit der nächsten Version kommen sollen), heben die besseren Maskierungsmöglichkeiten und die Option fast alle Werkzeuge auch lokal zu nutzen, Capture One auf ein ganz anderes Level in der Bearbeitung. Auf dem Papier sind die Programme also ähnlicher, als es die Realität tatsächlich zeigt. Capture One erlaubt es mir Dinge so fein zu Maskieren, wie es sonst oft nur in Photoshop möglich gewesen wäre. Damit habe ich auch weniger Probleme mit Kanten und Halos.

Diese besseren Möglichkeiten setzen sich aus folgenden Funktionen zusammen:

  • Es ist möglich eine Maske zu verfeinern. Dies sorgt dafür, dass die Übergänge sauberer abgebildet werden und es nicht zu ungewollten Halos rund um die maskierten Bereiche kommt
  • Mit der Option Maske erweitern kann man ebenfalls seine Maske weicher Auslaufen lassen, was zu einer besseren Integration in die Umgebung führt
  • Luminanzmaske. Diese gibt es zwar auch in Lightroom, allerdings kann man diese in Capture One feiner einstellen, da die Übergänge für Schatten und Lichter individuell festgelegt werden können. Es ist damit leichter, die Ergebnisse natürlich zu halten. Auch ist das Werkzeug präziser, da 255 Helligkeitswerte zur Verfügung stehen, während Lightroom nur die Abstufungen von 0-100 kennt.
  • Zauberpinsel: Der Zauberpinsel ist ein Schnellauswahlwerkzeug mit dem bei bestimmten Motiven sehr schnell auch komplexe Masken erzeugt werden können. Er ist dem Schnellauswahlwerkzeug in Photoshop recht ähnlich, mit der Ausnahme, dass es (noch) keinen Zauberradierer gibt.
  • Echtes Klonwerkzeug: kein eigentliches Maskierungswerkzeug, aber ich will es trotzdem hier nennen, da man mit dem Klonpinsel in Capture One gezielter Klonen kann. Dies liegt insbesondere daran, dass einmal gezeichnete Klonbereiche jederzeit angepasst werden können, d.h. es ist möglich, Dinge weg zu radieren oder hinzuzufügen. In Lightroom, kann man einen einmal gezeichneten Bereich danach nicht mehr verändern, weshalb hier der Weg über Photoshop sinnvoller war.

Höhere Effizienz

Fast genauso wichtig wie der Funktionsumfang ist für mich auch die Effizienz bei der Bildbearbeitung. Mir bleibt meist nicht die Zeit, ewig an der Bearbeitung zu sitzen, von daher ist es für mich wichtig, schnell gute Ergebnisse erzielen zu können.

Der Grund warum dies in Capture One besser geht, liegt zum einen in den oben genannten besseren Maskierungsmöglichkeiten, welche oft weniger Nacharbeit erfordern, aber auch in der Nutzung von Tastaturkürzeln.

Fast jede Funktion in Capture One lässt sich über ein Tastaturkürzel erreichen. Dies ist in Lightroom allerdings auch der Fall. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass in Capture One:

  1. die Kürzel oft über eine einzelne Taste erreicht werden, während es in Lightroom oft Tastenkombinationen sind, was zumindest ich mir schwer merken kann
  2. Die Kürzel oft einen Kontext zur Funktion haben (R=Rotate, C=Crop, L=Linear Gradient usw)
  3. Die Kürzel individuell angepasst werden können, was in Lightroom so gar nicht geht.

Neben diesen klassischen Kürzeln gibt es aber noch eine zweite Art von Kürzeln, die sich Schnellbearbeitungs-Tasten nennen. Als ich dies in der Beschreibung von Capture One Pro 21 gelesen hatte, hatte ich das zunächst für eine pure Spielerei gehalten, doch nachdem ich es ausprobiert und konsequenz angewendet habe, ist es mittlerweile eine wirkliche Erleichterung geworden.

Diese Schnellbearbeitungs-Tasten sind Tasten auf der Tastatur, welche – wenn ich sie länger drücke – direkt eine Bildanpassung (z.B. Helligkeit, Lichter, Schatten oder Kontrast) auswählen und ich dann mit den Cursortasten oder der Maus den Wert anpassen kann. D.h. ich muss nicht erst mit der Maus zu dem Werkzeug gehen und dort den Regler anfassen, sondern kann dies einfach über die Tastatur erledigen, ohne die Aufmerksamkeit vom Bild zu nehmen. Ich gebe zu, dass klingt auf dem Papier nicht spannend und es hilft auch nur, wenn man es konsequent anwendet, so dass die Tastenbelegungen in Fleisch und Blut übergehen, aber wenn man diese Zeit investiert, ist es danach tatsächlich ein ganz anderes, viel fokussierteres Bearbeitungserlebnis.

Tatsächlich brauche ich mit Capture One die Maus viel viel weniger als in Lightroom und nach kurzer Eingewöhnung habe ich viel Zeit gespart. Natürlich muss man erstmal die Kürzel lernen. Einige habe ich mir auch noch zusätzlich eingestellt und andere geändert. Dies alles lohnt sich aber schon nach kurzer Zeit. Wichtig ist wiegesagt nur, dass man dann die Kürzel auch konsequenz nutzt.

Wirklich nur 2 Gründe?

Wenn ihr euch fragt, ob dies wirklich schon alle Gründe für einen Wechsel waren, so ist die Antwort klar: ja.

Capture One Pro ist keine Revolution im Vergleich zu Lightroom. Beides sind gute und fähige RAW-Konverter. Nicht umsonst habe ich Lightroom so lang genutzt. Dem wäre nicht so, wenn ich unzufrieden gewesen wäre. Capture One Pro fühlt sich aber für mich frischer an und es macht mir aktuell mehr Spaß, meine Bilder dort zu bearbeiten und ich merke, dass ich Dinge realisieren kann, welche in Lightroom nur schwer oder mit Hilfe von Photoshop möglich gewesen wären. Zudem fällt es (gefühlt) leichter, die Bildergebnisse natürlich zu halten in Capture One Pro.

Es ist also am Ende nicht so, dass Lightroom schlecht war. Die beiden Programme haben einfach unterschiedliche Stärken und Schwächen. Auch in Capture One gibt es Dinge, die mir in den ersten Wochen negativ aufgefallen sind. Das betrifft z.T. Schwächen im Metadaten-Handling, aber auch Bugs in Bezug auf die Oberfläche und die Behandlung von HEIC-Dateien. Insgesamt sind es mittlerweile 8 Fehler, welche mir in der kurzen Zeit aufgefallen sind. Auch ist es so, dass Capture One bei besonders großen Dateien, wie Panoramen mehr Performance-Probleme hat, als Lightroom, auch wenn es sonst eigentlich vergleichbar schnell läuft.

Würde ich nun jedem zu einem Wechsel von Lightroom zu Capture One raten?

Klare Antwort: nein!

In folgenden Fällen sehe ich weiter Lightroom klar als favorisierte Lösung an:

  • Wunsch nach einer integrierten, möglichst kompletten Fotoverwaltung im RAW-Konverter. Capture One hat zwar auch eine Bildverwaltung, die allerdings funktional bei weitem nicht so umfassend ist, wie Lightroom
  • Nur einfache Bildbearbeitung ohne viele lokale Korrekturen. In diesen Fällen nutzt ihr die Vorteile von Capture One nicht, d.h. Lightroom kann hier seine Stärken besser ausspielen und ist zudem günstiger
  • Geräteübergreifende Nutzung (Laptop/PC + Tablet + Smartphone + ggf Webseite). Hier ist Lightroom ungeschlagener Meister. Kein anderes Programm vernetzt die verschiedenen Geräte so gut. Die Handy-Synchronisation kann man zwar auch auf anderem Weg (z.B. über OneDrive) hinbekommen, aber grundsätzlich ist Lightroom hier sehr weit voran vor aller Konkurrenz.
  • knappes Budget: Capture One ist nicht billig. Die Kaufversion kostet 349 EUR. Im Vergleich zum Normalpreis von Lightroom+Photoshop sind dies knapp 2,5 Jahre Abogebühren. Betrachtet man die Preise bei Lightroom-Angeboten sind es sogar knapp 3,5 Jahre. Allerdings gibt es auch bei Capture One Rabattaktionen. Ich habe z.B. das Programm mit 50% Rabatt erworben, allerdings sind auch das verglichen mit einem Lightroom Abo im Angebot rund 100% Aufpreis. Es lohnt sich also kostenmäßig nur, wenn ihr nicht regelmäßig Updates kauft, welche bei Capture One mit über 200 EUR zudem auch noch recht teuer sind.

Capture One richtet sich vor allem an Fotografen, die

  • ambitionierter in der Bildbearbeitung sind,
  • für die Farbtreue und gezielte Farbanpassungen wichtig sind
  • die oft mit Tethering arbeiten (sprich die Kamera wird von Capture One ferngesteuert und Bilder direkt auf euren PC/Laptop übertragen)

Für mich waren die Funktionen der Bearbeitung und die höhere Effizienz genug Grund für einen Wechsel, was aber auch daran lag, dass ich für die Bildverwaltung mittlerweile eine eigene Alternative gebaut habe. Man kann auch Capture One zusammen mit Lightroom als Bildverwaltung nutzen, allerdings würde ich das nur sehr bedingt empfehlen, da man doch auf einiges achten muss, um nicht am Ende Daten zu verlieren, denn leider ist es bis heute so, dass jeder RAW-Konverter sein eigenes Süppchen kocht und es möglichst schwierig macht, Konkurrenzprodukte parallel zu nutzen.

Ich selbst habe zunächst auch weiterhin noch ein Lightroom Abo zu laufen, welches noch mindestens bis Anfang 2023 gültig ist, aber für den Moment habe ich mich so organisiert, dass ich ohne Lightroom auskomme und nur noch Capture One zusammen mit der Photography Toolbox nutze. Einzig für Panoramen und HDR-Bilder nutze ich aktuell noch Adobe Camera RAW. Hier hoffe ich aber auf das nächste Update von Capture One im Dezember, welches dann auch diese Funktionen mit an Board haben soll.

So das war es auch schon wieder. Vielleicht haben euch ja meine Wechselgründe etwas überrascht. Ich selbst war zumindest etwas von mir überrascht, denn ich hätte nicht erwartet, dass ich zum Capture One Pro Nutzer werde.