Mit der MS Lofoten auf die Hurtigrute – Teil 8: Abenteuer mit den Huskies
Die letzte Nacht war definitiv die schlimmste bislang. Das Schiff war in ständiger Bewegung gewesen und ich rollte immer wieder von einer Seite des Betts auf die Andere. Zwischendrin war ich immer wieder wach geworden und fand nie einen wirklich festen Schlaf. Zweimal stand ich fast senkrecht im Bett, als es gekracht hat an meiner Kabinenwand. Ich dachte fast, der Wind pfeifft so stark, dass er durch das verriegelte Bullauge hindurch kommt, aber es waren wohl eher die Reifen an einem Hafen, die wir mitgenommen hatten.
Eigentlich wollte ich dann heute morgen um 6:45 Uhr aufstehen, als wir in Vadsø vor Anker lagen, aber ich war nach der Nacht noch so fertig, dass ich mich nicht motivieren konnte, aus dem Bett raus zu kommen. Erst eine Stunde später bin ich aufgestanden und da es gerade nicht so stark wackelte, wollte ich auch gleich die Gelegenheit nutzen und Duschen. Bei meiner Kabine sind Dusche und WC ja auf dem Gang, also Handtusch umgeschnürt, Duschgel geschnappt, rausgegangen, Tür zugemacht – und dann festgestellt, dass ich den Kabinenschlüssel hab drinnen liegen lassen. Leicht bekleidet wie ich dann war, bin ich also erstmal zur Rezeption geschlurft und haben mir die Kabine öffnen lassen. Anscheinend war ich nicht der Erste, dem das passiert ist, denn man reagierte ganz gelassen als ich da nur mit Handtuch bekleidet aufschlug. Dann also Duschen 2. Versuch und danach ging es kurz zum Frühstück, bevor ich geschaut habe, was an Deck so los ist.
Wie schon so oft, schien ich genau im richtigen Moment zu kommen. Es war kalt und trocken und am Himmel zeigte sich nur lockere Bewölkung und sogar etwas Morgenröte. Von daher konnte ich direkt ein paar Fotos schießen, bevor ich nochmal reingegangen bin, um mich im Panoramasalon aufzuwärmen bis wir in Kirkenes, dem Wendepunkt unserer Fahrt, ankamen.
Bei der Ankunft in Kirkenes war es fast windstill und so spiegelten sich die Schiffe am Hafen im Wasser umgeben von der noch blauen Lichtstimmung und den Lichtern des Ortes. Ansonsten gibt es nicht viel Interessantes vom Anblick des Ortes zu berichten – eine Schönheit ist er nicht. Mit der Ankunft in Kirkenes waren wir aber auch schon wieder ein kleines Stück südlich vom Nordkap, so dass der Tag heute (auf dem Papier) wieder etwas länger sein sollte als gestern.
Kirkenes liegt im äußersten nordöstlichen Winkel von Norwegen und von hier sind es nur wenige Kilometer bis zur Grenze nach Finnland und Russland. Zu russischen Grenze ging heute auch ein Ausflug, der mich aber so gar nicht gereizt hat, denn mehr als den Grenzpfosten gibt es nicht zu sehen – rüber über die Grenze darf man nicht.
Stattdessen habe ich heute den Ausflug unternommen, auf den ich mich schon die ganze Woche gefreut habe: Schlittenfahren mit den Huskies.
Direkt nach der Ankunft im Hafen, ging es vom Schiff und zum Bus, der uns rund 10km raus aus Kirkenes gefahren hatte. Auch bei diesem Ausflug waren neben mir wieder Leute aus unserer Tischgruppe dabei, nämlich diesmal Uschi, Sabrina und Christian. Am Ziel angekommen, wurden wir in 2 Gruppen eingeteilt, die dann nacheinander Schlittenfahren sollten. Ich habe mich in die zweite Gruppe gesellt, da ich hoffte, es würde noch etwas heller werden. Leider hatte sich der teilweise wolkenfreie Himmel von heute morgen zwischenzeitig wieder vollständig bedeckt.
Am Ort, wo die Husky-Schlittenfahrt stattfindet liegt auch das schon oft im Fernsehen gezeigte Schneehotel, welches wir uns anschauen konnten, während die anderen losgefahren sind. Leider war das Hotel noch nicht fertig gebaut, da es dieses Jahr bislang erst wenig Neuschnee gab. Aber den Rohbau konnten wir immerhin schon bestaunen. Als erstes wurde die Kuppel gebaut, in der später die Eisbar sein wird. Dazu musste ein großer Ballon aufgeblasen werden, auf den dann der Schnee geschichtet wurde. Die von der Kuppel abgehenden Gänge werden dagegen mit einem Gestell errichtet, auf das erst der Schnee geschichtet und dann, wenn alles fest ist, dass Gestell herausgezogen wird.
Auch die ersten Räume waren in den letzten Zügen der Fertigstellung und es wurden bereits die Bilder für die Schneeschnitzereien angezeichnet. Schade, dass es alles noch nicht fertig war, denn ich hätte es gern im vollendeten Zustand gesehen. Aber auch so war es interessant.
Ansonsten gibt es hier auch eine Gruppe von Rentieren, die aber heute nicht willig waren, ans Geländer zu kommen. Lediglich eines ließ sich in der Ferne kurz blicken – zu weit weg für ein Foto.
Mittlerweile war die erste Gruppe fast zurück von ihrer Schlittenfahrt und so durften wir uns schonmal in die Thermooveralls zwängen. Ich war zwar schon warm angezogen, aber damit bestand wirklich kein Risiko mehr zu frieren. Der Preis dafür war jedoch ein Teletubby-Look.
So eingepackt konnten wir dann endlich zu den Hunden und ich war etwas überrascht, denn sie sahen so gar nicht wie Huskies aus – zumindest nicht so, wie ich einen Husky in Erinnerung hatte. Aber auch hierfür gab es eine einfache Erklärung. Für die Schlitten kommen sogenannte Alaska-Huskies zum Einsatz. Im Gegensatz zum Sibirischen Husky zeichnet sich diese Art durch eine bessere Folgsamkeit aus und ist damit für den Schlitteneinsatz besser geeignet.
Alaska-Husky ist dabei keine eigene Rasse, sondern bezeichnet eine Gruppe von Hundearten, die als Schlittenhunde genutzt werden. Diese Hunde sind besonders lauffreudig und ausdauernd, was erreicht wurde, indem Jagd- und Windhunde miteinander gekreuzt wurden.
Als wir den Hundehütten näher kamen, merkten wir schon, dass die Hunde heiß aufs Laufen waren und wenn sie gekonnt hätten, wärden sie alle sofort mit uns los gezogen. In der Tat muss der Musher (so heißt der Schlittenhundführer) dafür sorgen, dass jeder Hund jeden Tag seinen Auslauf bekommt, da die Hunde sonst wahnsinnig und schlichtweg durchdrehen würden. Ein Grund dafür, dass Huskies nicht als Haushunde geeignet sind, denn mit Auslauf ist nicht mal eben ein Spaziergang gemeint, sondern ein langer, zügiger Lauf, bei dem die Hunde sich ordentlich auspowern können.
Die Hunde sprangen auf ihre Hütten und versuchten auf sich aufmerksam zu machen, aber für uns waren die gleichen Gespanne vorgesehen, wie für die vorherigen Gruppen, von daher mussten alle, die hier aufgeregt um unsere Gunst buhlten, noch auf ihren Einsatz später am Tag warten.
Auf jeden Schlitten kamen zwei Personen und natürlich der Musher. Gezogen wurden wir dann von einem Gespann aus 6 Hunden – 2 Führungshunde, 2 Lenkhunde und 2 Ziehhunde. Diese hatten jeder seine eigene Funktion. Die Führungshunde in der ersten Reihe mussten die gehorsamsten sein, die sich am wenigsten ablenken lassen. Sie sind entscheidend dafür, dass der Schlitten auf seinem Pfad bleibt. Die beiden mittleren sind hauptsächlich dafür da, beim Lenken zu unterstützen und die beiden letzten müssen am kräftigsten sein, denn auf ihnen liegt die ganze Last beim Anfahren des Schlittens. Unsere beiden Zughunde hießen übrigens Brüssel und Hamburg – da haben wohl ein paar Helfer beim Hotelbau die Hunde nach ihren Heimatorten benannt.
Einmal auf dem Schlitten platziert ging es auch schon los. Ich saß hinten und versuchte mit aller Kraft meine Beine im Schlitten zu halten, was alles andere als komfortabel war. Die Beine raushängen lassen war keine Option, denn der Schlitten passierte teilweise in nur wenigen Zentimetern Abstand Baumstämme und Eisblöcke – also lieber unbequeme Beinposition als gebrochenes Bein.
Wir sind durch die Landschaft des Langfjords gefahren über einen vereisten See. Die Eisdecke ist hier rund einen Meter dick, so dass wir sicher drüber fahren konnten. Während der Fahrt wurde uns einiges über die Haltung der Huskies erzählt. Die Tiere werden bereits früh trainiert, angefangen mit kurzen Strecken von 2-3 Kilometern und ohne Gewicht. Später werden die Strecken länger und dann kommt auch das Gewicht hinzu. Das Ganze ist auch unterschiedlich, je nachdem, ob die Hunde für Schlittenfahrten (wie mit uns) oder für Schlittenrennen eingesetzt werden. Beim Schlittenrennen wird im Gegensatz zu unseren Fahrten weniger Wert aufs Gewicht und mehr auf die Geschwindigkeit gelegt.
Die Fahrten mit den Touristen im Schnee gibt es aber nur im Winter, denn Huskies können nur bis zu Temperaturen von +14 Grad laufen. Darüber überhitzen sie sehr schnell, weswegen man mit ihnen im Sommer ins Inland nahe der finnischen Grenze zieht.
20 Minuten dauerte unsere Fahrt und dann waren wir auch wieder zurück am Schneehotel angekommen, wo wir uns noch etwas ausruhen konnten, bis es mit dem Bus zum Schiff ging. Es war kurz vor 12 Uhr, aber mittlerweile setzte die Nacht schon wieder ein und als wir am Schiff ankamen, war die Blaue Stunde schon voll im Gange.
Zudem war es auch recht diesig, so dass es mit Fotos bei der Ausfahrt von Kirkenes eher mau aussah. Von daher habe ich mir mein Tablet geschnappt, um am Reisebericht zu tippen, bevor es wieder schaukelig werden würde.
Das Schaukeln kam dann auch schneller als gedacht und somit war es mit dem Schreiben schon wieder vorbei kurz nachdem ich begonnen hatte. Stattdessen habe ich im Liegen etwas in der Caféteria gedöst und bin später in die Kabine gegangen, bis wir den nächsten Hafen Vardø um 15:55 Uhr erreicht hatten.
Hier blieben uns 50 Minuten, die ich auch direkt genutzt hatte, um mir nochmal die Füße zu vertreten. Vardø ist die am weitesten östlich gelegene Stadt Norwegens. Als wir hier ankamen, war es natürlich schon wieder stockfinster und es schneite leicht, aber nach der Schaukelei der letzten Stunden, war ich einfach froh um jeden Moment, bei dem ich festen Boden unter den Füßen hatte.
Bekannt ist Vardø für seine Festung, zu der ich dann auch gelaufen bin. Zuvor kam ich aber durch den kleinen Hafen und konnte entfernt die Schreie der Leute hören, die sich dem Eisbaden angeschlossen hatten.
Vardøs Festung gilt als die nördlichste der Welt und stammt aus dem 18. Jahrhundert. Zuvor gab es bereits zwei ältere Festungsanlagen. Die älteste stammt von König Håkon V. aus dem 14. Jahrhundert. Im Dunkeln war natürlich nicht mehr so viel zu sehen, aber für ein paar Fotos im Schnee hatte es allemal gereicht. Vor allem die Kanonen und die Statue von König Håkon bildeten ganz dankbare Motive.
Bekannt ist Vardø auch dafür, dass im hiesigen Observatorium erstmals die Entfernung von Erde und Sonne bestimmt werden konnte. Zudem erlangte Vardø ab 1850 Bekanntheit durch seine Bedeutung für den Pomorenhandel. Pomoren, das waren die Bewohner am Weißen Meer bei Archangelsk und seitdem die Engländer auf ihren Expeditionen ins Weiße Meer vorstießen, entwickelte sich ein reger Handel zwischen Nordnorwegen und den Russen. Von den Russen bekamen die Norweger die in Norwegen knappen Waren wie Getreide, Mehl und Teer, während die Russen vor allem Bedarf an Fisch hatten, den die Norweger natürlich im Überfluss liefern konnten.
Der Handel war allerdings ein riskantes Unterfangen, denn die Hanse hatte sich mit ihrem Kontor in Bergen das Vorrecht für den Handel in Nordnorwegen gesichert und so durften die Norweger eigentlich nicht mit den Pomoren Geschäfte treiben. Doch mit dem Niedergang der Hanse verging auch dieses Risiko und der Handel blühte vor allem zwischen 1796 und 1917. Vardø war in dieser Zeit das größte Handelszentrum und erlangte so Wohlstand. Das Ende dieser Periode kam dann mit dem Beginn der russischen Revolution, wodurch den Russen die Möglichkeit des Handels genommen wurde und auch Vardø seine Bedeutung verlor und in der Folge verarmte.
Nur wenige Jahrzehnte später kamen dann die Deutschen und besetzten den Ort im Zweiten Weltkrieg, da sie von hier den Schiffsverkehr der Alliierten, die von Nordrussland kamen, kontrollieren konnten.
Nach einer halben Stunde war ich wieder zurück an Bord, schließlich wollte ich das Schiff nicht verpassen und habe dann kurz am Tagebuch geschrieben, bevor die Schaukelei wieder losging und ich mich bis zum Abendessen ausgeruht hatte.
Heute war erst der 2. Tag auf der Reise, an dem das Essen planmäßig in zwei Sitzungen durchgeführt werden konnte. Sonst mussten wir immer wegen dem Seegang das Essen verschieben. Es gab sehr leckere Rentierleberpastete als Vorspeise und Heilbutt als Hauptgang – kulinarisch das Highlight des Tages.
Nach dem Essen blieben wir alle noch etwas in der Caféteria, doch das Wetter draußen verhieß wenig Hoffnung auf Nordlichter in der heutigen Nacht und so habe ich mich um Viertel vor 10 in die Kabine zurückgezogen.
Dies war auch genau der richtige Moment gewesen, denn kaum war ich im Bett angekommen, kam die Durchsage, dass wir die nächsten Stunden mit schwerem Seegang rechnen müssten und doch bitte unsere Kabinen darauf vorbereiten sollten. Gesagt getan und dann ab unter die Decke, Augen zu und das Schaukeln genießen, oder wie man das so nennt.