Reisebericht Kreta – Teil 8: Knossos
Der letzte volle Tag unseres verkürzten Kreta-Urlaubes war nun schon angebrochen und wir hatten uns noch einen größeren Ausflug vorgenommen zu jener Sehenswürdigkeit, die wohl am bekanntesten auf der Insel ist: Knossos.
Da Knossos jedoch nahe der Inselhauptstadt Heraklion liegt, mussten wir uns etwas ranhalten mit der Zeit. Unser Frühstück bestand daher heute aus dem Schokokuchen, den man uns gestern gebracht hatte. Schnell war sich Milly jedoch einig mit sich, dass dies nicht ihr Fall war und so blieb es am Ende an mir, den Schokokuchen mit Anstand zu vernichten (einen Teil ließ ich aber noch für später). Danach hieß es erst einmal eine gute Stunde mit dem Auto fahren, bis wir über die gut ausgebaute Küstenstraße nach Heraklion kamen. Von hier waren es nur noch wenige Fahrminuten bis zu der weltbekannten Ausgrabungsstätte.
Knossos ist das Herzstück der minoischen Kultur und es dauerte sehr lang bis man etwas über diese Hochkultur erfahren hatte. Über lange Zeit war es einzig den Erzählungen Homers zu verdanken, dass man von den Minoern wusste. Es ist die älteste Hochkultur auf europäischen Gebiet und ihre Geschichte geht zurück bis in die Zeit, in der Parallel das Ägyptische Reich existierte. Fundstücke in Ägypten zeigten zudem, dass die beiden Kulturen im Austausch miteinander standen.
Knossos war sozusagen das Herzstück des Minoischen Reiches. Er war der größte – aber nicht der einzige – Palast der Minoer. Die Minoer lebten vor über 5000 Jahren, doch es sollte bis 1878 dauern, das die moderne Gesellschaft beginnen konnte, ihre Geschichte zu erkunden. In jenem Jahr stieß man auf die ersten Ruinen in Knossos. Wenig später reiste auch der Troja-Entdecker Heinrich Schliemann nach Knossos, doch es kam nie zu einer Zusammenarbeit vor Ort, da der Preis des türkischen Grundstückseigentümers für Schliemann zu hoch war.
Es sollte dann der reiche englische Zeitungskorrespondent Arthur Evans sein, der die Ausgrabungen systematisch weiter führte – das dauerte aber noch bis zum Jahr 1900.
Nachdem wir den Parkplatz von Knossos angesteuert hatten, begaben wir uns zum Eingang, wo wir zwar eine Schlange vorfanden, die sich aber recht schnell abbaute, so dass wir nur kurze Zeit später für 15 Euro das Stück unsere Tickets in den Händen hielten.
Direkt hinter dem Eingang befand sich ein Stand, an dem Touren vermittelt wurden für 10 Euro pro Person. Da sich solch eine Ausgrabungsstätte, welche ja im Wesentlichen aus Steinen besteht allein immer nur wenig erschließen lässt, da man sich einfach nicht alles bildlich vorstellen kann, haben wir die 20 Euro für uns beide dann auch noch investiert und wenige Minuten später konnten wir dann, gemeinsam mit 8 weiteren Personen, mit der Führung beginnen.
Los ging es an der Westseite, wo eine Bronzebüste an den „Entdecker“ des Palastes von Knossos – Arthur Evans – erinnert. Evans führte die meisten Ausgrabungen hier vor Ort innerhalb von nur 3 Jahren durch (zwischen 1900 und 1903). Dabei arbeitete er aus heutiger Sicht nicht unbedingt immer nach den Maßstäben guter Archäologie und an vielen Stellen traf Evans Annahmen, die dann zu Tatsachen wurden, obwohl bis heute vieles noch nicht erwiesen ist.
So sind z.B. die Raumnutzungen keineswegs so eindeutig, wie es die Namen vermuten lassen. Zudem hatte Evans spätere, nach-minoische Schichten einfach entfernt, ohne deren Wert zu analysieren. Daneben ließ Evans aber auch hier und da Teile des Palastes wieder aufbauen. Dabei stützte er sich auf Fresken, die er gefunden hatte, beziehungsweise schloss von den Fundamenten auf den Rest. Ein ganzer Teil blieb aber auch Interpretation und so kann man heute nur sicher sagen, dass die Rekonstruktionen eine mögliche Interpretation des Palastes von Knossos sind, keineswegs aber die gesicherte Wahrheit.
Bei aller Kritik, die man an den Beton-Rekonstruktionen üben kann, ermöglichten sie uns aber heute, wie schon tausenden Besuchern zuvor, ein wenig mehr von dem Palast zu erahnen, als wir allein auf Basis der Grundmauern in der Lage gewesen wären.
Von der Westseite ging es dann zum südlichen Eingang. Hier wurde eine Halbseite des Einganges mit Kopien von gefundenen Fresken rekonstruiert.
Der Palast besaß in Summe zwei Eingänge, einen im Osten und einen im Westen. Auch sonst war der Palast zweigeteilt, was man auch symbolisch deutete, denn der hier residierende Minos (jeder König der Minoer wurde als Minos bezeichnet, es ist also mehr Titel denn Name) war nicht nur weltlicher Herrscher seines Reiches, sondern auch geistlicher.
Dies spiegelte sich auch im Symbol der Minoer wieder, der Doppelaxt. Auch sie repräsentierte die zwei Funktionen des Königs. Die Doppelaxt heißt auf griechisch Labrys und von ihr leitet sich das Wort Labyrinth ab. Was hat nun eine Axt mit einem Labyrinth zu tun? Nun wiegesagt war die Axt das Symbol der Minoer und deren Paläste waren so verzweigt und ohne ersichtliche Logik, dass sie einem wie ein Irrgarten erscheinen konnten. Von daher kam es zu dieser Assoziation.
Im südlichen Palastteil befanden sich auch die Lagerräume, deren Reihen mit Vertiefungen für die großen Fässer noch gut ersichtlich waren.
Von hier konnten wir auch am Horizont den Berg sehen, von dem der Palast sein Frischwasser bezog, denn die Minoer lebten recht fortschrittlich mit klimatisierten Räumen, Frischwasser und einer Kanalisation.
Bald darauf kamen wir dann zum Thronsaal, wo es einen steinernen Thron zu besichtigen gab. Diesen hatte aber zunächst nur Milly sehen können, da ich mit Milo draußen blieb, denn unser Sohn hatte sich in den staubigen Sand verliebt mit dem er nun unbedingt spielen wollte. Ich hatte aber später nach der Führung noch einen Blick in den Raum werfen können. Eine Kopie des Throns befindet sich heute übrigens auch im Internationalen Gerichtshof in Den Haag, als Symbol für Gerechtigkeit, denn Minos galt als gerechter Richter seiner Zeit.
Insgesamt muss es eine innenpolitisch recht ruhige Ära gewesen sein, denn bis heute hat man bei keinem der minoischen Paläste Befestigungsanlagen gefunden. Dies heisst aber nicht, dass die Minoer sich nicht zu verteidigen wussten. Man geht davon aus, dass sie über eine recht große Schiffsflotte verfügten und Angreifer so schon vor dem Erreichen der Insel gestoppt werden konnten.
Der Palast von Knossos, den wir uns heute angeschaut hatten, war nicht der erste Palast an dieser Stelle. Die ersten Paläste der Minoer entstanden um 2000 v. Chr. und auch Knossos entstand um diese Zeit und war schon damals ein prächtiger, reicher Palast. All dies fand jedoch um 1700 v. Chr. ein erstes jähes Ende, als ein Erdbeben fast alles auf der Insel zerstörte und damit die Altpalastzeit beendete. Die Geschichte der Minoer war jedoch nicht nicht beendet, denn recht bald begann man mit dem Wiederaufbau und die Neupalastzeit begann, welche fast 300 Jahre andauerte. Um 1450 v. Chr. wurden abermals alle Paläste zerstört – man geht davon aus, dass die Ursache Feuer in Folge von Erdbeben oder einem Vulkanausbruch waren.
Ein erneuter Aufbau der Paläste fand diesmal nicht statt, denn nur wenige Zeit später eroberten die Mykenen (Griechen vom Festland) Kreta und die Minoische Kultur vermischte sich schnell mit der mykenischen.
Unser Rundgang war recht kurzweilig gewesen und durch die zwar strittigen, aber dennoch anschaulichen Rekonstruktionen von Evans hatten wir zumindest einen Eindruck davon erhalten können, wie der Palast (vielleicht) einmal ausgesehen hatte.
Wobei „wir“ in dem Fall etwas übertrieben ist, denn Milly blieb nach etwa der Hälfte der Führung mit unserem Knirps zurück, da dieser sich unsterblich in den Ausgrabungssand verliebt hatte (dementsprechend sah er später auch aus).
Die Führung endete am Theater, welches aber wohl eher ein Ort von Ritualen gewesen ist. Von hier gab es auch die älteste gepflasterte Straße in Europa zu sehen. Insgesamt finde ich es immer wieder beeindruckend, wie weit entwickelt doch Kulturen schon vor so langer Zeit gewesen waren und wieviel davon in späteren Jahrhunderten (damit meine ich das Mittelalter) verloren gegangen war bis es endlich wieder entdeckt wurde.
Bleibt nur noch eines zu erzählen: die Legende von Minotaurus, der angeblich hier sein Unwesen trieb. Demnach sollte der König Minos der erste Sohn von Zeus und Europa gewesen sein. Er lebte mit seiner Frau auf Kreta und herrschte über sein Reich. Von Poseidon soll Minos einen weissen Stier geschenkt bekommen haben, den er Zeus zum Opfer bringen sollte. Doch der Stier gefiel Minos so sehr, dass er ihn einfach behielt. Zeus war empört und sorgte dafür, dass die Frau von Minos dem Stier verfallen würde. Schließlich wurde sie tatsächlich vom dem Stier geschwängert und gebar daraufhin einen Sohn, der halb Mensch, halb Stier war – den Minotaurus. Minos ließ den Minotaurus jedoch nicht töten, sondern verbannte ihn in einen Irrgarten, das sagenumwobene Labyrinth. Von nun an wurden jedes Jahr vom Festland Griechen nach Kreta geschickt, die dem Minotaurus zum Opfer gereicht werden sollten bis zu seinem Tode.
Wahr ist, dass die Minoer einen Stierkult hatten und Stierkämpfe ein beliebtes Volksvergnügen waren und dafür oft auch Menschen aus dem Festland anreisten. Insofern mag es sehr wohl sein, dass hier Menschen einem Stier zum Opfer fielen, aber wohl eher nicht dem Minotaurus.
Damit waren wir dann aber auch wieder zurück beim Auto angekommen und sind von dort auf direktem Weg wieder zum Hotel gefahren, wobei die Reihe hinter mir gemeinsam eingeschlafen war.
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