Mit der MS Lofoten auf die Hurtigrute – Teil 10: Die Vesterålen bis Risøyhamn
Die letzte Nacht war die bislang ruhigste hier an Bord. Das Schiff hatte sich kaum mit den Wellen bewegt und so konnte ich endlich mal durchschlafen, bis Viertel vor Acht der Wecker klingelte. Wir waren gerade dabei Harstad anzulaufen, als ich zum Frühstück hochkam und als ich fertig war, liefen wir gerade wieder aus. Es war kurz nach 8 Uhr und es wurde langsam hell – hier machte sich bemerkbar, dass wir bereits ein Stück südwärts gekommen waren in den vergangenen 2 Tagen.
Die an der Ausfahrt von Harstad gelegene Trondenes Kirche hatte ich gerade noch verpasst als ich an Deck kam, aber in der Dunkelheit wäre es auch schwer gewesen, sie zu fotografieren. Bei der Kirche handelt es sich um die nördlichste Mittelalterkirche Norwegens.
Anstatt der Kirche konnte ich ein schönes Morgenrot zum Heck raus sehen, während voraus die schneebedeckten Berge unseren Weg säumten.
Von nun an blieb ich den ganzen Vormittag an Deck und verfolgte zunächst unsere Fahrt nach Risøyhamn. Kurz bevor wir dort ankamen, erreichten wir Risøyrenna, einen innerhalb des Risøysund angelegten Kanals. Der Sund selbst ist sehr flach und war lange Zeit nicht mit größeren Schiffen befahrbar, bis man 1876 mit einer ersten Aushebung begann, um den Sund fahrbahr für die größeren Schiffe der Moderne zu machen.
Heute ist die künstliche Fahrrinne fast 5km lang, 5-6m tief, allerdings nur 50m breit. Hinzu kommen zwei Richtungswechsel in der engen Fahrrinne. Markiert wird der Kanal von einer Reihe roter und grüner Leuchtbojen, die wie eine Landebahn auf dem Wasser aussahen. Die Eröffnung der Wasserstraße erfolgte 1922 durch den König persönlich.
Im Hintergrund erschien dann auch die Andøybru, welche mit ihren 750m Länge seit 1974 den Risøysund überspannt. Aus der Ferne konnten wir auch einen jungen Adler sehen – zu klein allerdings für ein Foto.
Wir legten kurz darauf in Risøyhamn an. Der Ort war einst ein wichtiger Handelsplatz, aber der sich immer weiter mit Sand zusetzende Sund brachte den Handel mehr und mehr zum Erliegen und raubte dem Ort so seine wirtschaftliche Lebensgrundlage. Der Gründer der Hurtigruten – Richard With – kaufte den Platz in dieser Zeit und seinem Engagement für den Bau des Kanals ist es zu verdanken, dass der Ort heute wieder entlang der Schifffahrtsroute und natürlich auch an der Hurtigrute liegt.
Bei dem kurzen Halt blieb ich an Bord, denn am Ufer gab es nur eine Galerie zu sehen. Als es wieder losging, durchquerten wir als erstes die Andøybru und folgten dem Risøysund in Richtung Sortland, immer flankiert von einer faszinierenden Berglandschaft zu beiden Seiten.
VON RISØYHAMN BIS NACH SORTLAND
Wir waren jetzt bereits mitten in der Inselgruppe der Vesterålen angekommen. Weniger bekannt als die sich direkt anschließenden Lofoten, aber nicht minder reizvoll von ihrer Landschaft. Viele Urlauber der Lofoten kommen auch auf die Vesterålen, manchmal ohne es zu bemerken, da der Übergang zwischen den Inselgruppen fließend ist. Wie auf den Lofoten, so war auch hier der Stockfischhandel für lange Zeit die wirtschaftliche Grundlage und wurde später ergänzt durch den Fang von Hering. Auch die Hurtigruten haben ihren Ursprung auf dieser Inselgruppe – dazu aber später mehr. Die Inselgruppe besteht aus nur 6 Inseln, auf denen etwas über 30.000 Menschen leben. Flächenmäßig sind die Vesterålen damit rund doppelt so groß, wie die im Süden angrenzenden Lofoten.
Es war recht mild heute gewesen und insofern täuschten die Temperaturen darüber hinweg, dass wir uns immernoch auf der geographischen Höhe von Grönland befanden. Allerdings gibt es hier auch im strengsten Winter keine grönländischen Verhältnisse, da der Golfstrom im ganzjährig für ein mildes Klima sorgt. Zu dem milden Wetter heute, kam auch noch eine aufgelockerte Bewölkung dazu, so dass es wirklich schön war, der weißen Landschaft an Deck zu folgen.
Es dauerte knapp 1,5 Stunden, bis wir am nächsten Hafen – Sortland – ankamen. Abermals gab es eine Brücke, die als Portal in den Ort diente. Unser Reiseleiter Asgeir kündigte dies auch gebührend an und das ging in etwa so: „Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten erreichen wir Sortland. Zuvor fahren wir durch eine Brücke über die ein Bus fährt mit Fahrgästen von unserem Schiff. Winken Sie doch mal! In Sortland gibt es eine Kirche, eine Bäckerei und eine Post und links vom Schiff schwimmen Wale“. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie diese Reihe von Informationen in unseren Köpfen verarbeitet wurde – Brücke, Bus, Kirche, Bäckerei, Wale – Moment mal? Wale? WALE!!! Es war einer der kurzen Momente, wo wohl jeder an Deck kam. In der Tat konnte man im Wasser die Finnen (oder Fluken – wir waren uns nicht einig, wie es heißt) einer Gruppe Orcas sehen.
In Sortland angekommen, hatten wir knappe 40 Minuten Aufenthalt und da mir die Füße vom langen Stehen an Deck schon fast abgefroren waren, wollte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei einem kurzen Rundgang durch den Ort etwas zu bewegen.
Sortland ist das Zentrum der Inselgruppe der Vesterålen und trägt den Spitznamen „die blaue Stadt“. Dieser Name rührt daher, dass man 1999 in der Stadt den Vorschlag gemacht hatte, alle Häuser in Blautönen zu streichen. Auch wenn nicht alle diesem Vorschlag gefolgt sind, findet man doch recht viele blaue Häuser in Sortland.
Die Region hier lebte lange Zeit vor allem vom Heringsfang, weshalb es wenig verwunderlich auch eine Konservenfabrik hier vor Ort gibt. Der wirkliche Aufschwung des Ortes kam aber erst richtig in Gang, als der Sund durch den künstlichen Kanal bei Risøyhamn fahrbar gemacht und damit der Hafen viel besser erreichbar wurde.
Die meisten sind mit mir von Bord gegangen, dann aber in Richtung des Stadtzentrums gelaufen. Ich dagegen hielt mich links und bin zur Kirche marschiert.
Die Kirche ist für diese Gegend schon recht alt – immerhin 1901 wurde sie errichtet. Sie ist – obwohl selbst schon die 6. Kirche im Ort – eine willkommene Abwechslung zu den vielen modernen Kirchen, die man hier in Norwegen sieht, nachdem die Deutschen fast alles im 2. Weltkrieg vernichtet hatten.
Auf dem Rückweg kam ich dann am alten Friedhof vorbei, wo noch einige schöne Kreuze standen. Hier befand sich früher die Kirche, doch von ihr blieb nur der Kirchturm erhalten.
Leider war die Zeit schon wieder so weit fortgeschritten, dass ich das Stadtzentrum nur noch streifen konnte und bereits zurück zur MS Lofoten musste. Insofern habe ich nur einen kleinen Eindruck von der “Blauen Stadt” erhalten.
Wieder an Bord bin ich direkt zurück an Deck gegangen und auch gerade wieder zur richtigen Zeit, denn rund um unser Schiff hatte sich erneut die Gruppe von Schwertwalen gesellt. Fotografieren konnte ich das Spektakel nicht wirklich, aber immerhin: wir hatten Wale auf der Tour gesehen.
Kurz darauf ging es auch schon weiter und ich verfolgte die vorbeiziehende schöne Landschaft mit ihren schroffen schneebedeckten Gipfeln noch ein paar Minuten, bevor ich mich erstmal zum Mittagessen begeben hatte.
STOKMARKNES
Direkt nach dem Essen kamen wir auch schon am nächsten Hafen in Stokmarknes an. Hier blieben uns 50 Minuten für einen Ausgang, der am sinnvollsten mit dem Besuch des Hurtigrutenmuseums verbracht ist, was dann auch mein Plan war.
Das Museum liegt direkt hinter dem Hafen und ist schwer zu verfehlen, steht doch an seiner Seite das ausgemusterte Hurtigrutenschiff MS Finnmarken, welches zwischen 1956 und 1993 auf der Route gefahren ist. Wer meint, dass die MS Finnmarken doch noch in Betrieb ist, der hat recht, allerdings handelt es sich dabei um das Nachfolgeschiff gleichen Namens, welches seit 2002 im Dienst der Hurtigruten ist.
Als Gast der MS Lofoten war der Eintritt in das Museum frei. Direkt nach dem Eingang befinden sich im Haupthaus viele Erinnerungsstücke sowie Modelle aller Hurtigrutenschiffe. Hauptattraktion ist aber die alte MS Finnmarken, in die ich über einen Durchgang oberhalb der Straße gekommen bin. Es war schon recht unheimlich durch das Schiff zu laufen, denn alles wirkte verlassen, leer und ich war fast allein. Es war ein wenig wie durch eine Ruine zu spazieren und gleichzeitig interessant zu sehen, wie diese Generation der Hurtigrutenschiffe eingerichtet war, die ja noch fast 10 Jahre älter ist, als unsere MS Lofoten.
Allzuviel Zeit konnte ich mir aber nicht lassen, denn 50 Minuten vergehen schnell, zumal ich auch nicht auf den letzten Drücker wieder an Bord sein wollte. Also blieb noch ein letztes Bild an der Statue des Hurtigruten-Gründers Richard With und kurz darauf war ich wieder auf unserem eigenen, noch fahrttüchtigen Museumsschiff.
Die Geschichte der Hurtigruten begann übrigens 1893 am 2. Juli, als das Dampfschiff Vesterålen von Trondheim ablegte, um nach Hammerfest zu fahren. Der Staat hat zuvor 2 Jahre nach einem Betreiber einer Express-Bootslinie entlang der Küste gesucht, doch niemand war Willens, die gefährliche Reise auch im Winter bei Dunkelheit zu wagen. Die Navigation in den zahlreichen Meerengen war damals eine echte Herausforderung und moderne Instrumente kannte man noch nicht. So war das Durchfahren nur mit einem Kursbuch möglich, welches jedes Manöver und die dazugehörigen Zeitpunkte genau festhielt. Durch die Hurtigrute, wie die neue Linie genannt wurde, verkürzten sich die Versorgungszeiten im Norden des Landes immens. Brauchten Post und Waren zuvor einen Monat im Sommer und bis zu fünf Monate im Winter, konnte man jetzt in weniger als 3 Tagen von Trondheim nach Hammerfest kommen. Heute sind es nicht mal mehr 2 Tage. Ein Jahr nach dem ersten Schiff, befuhren bereits zwei Schiffe die Linie und 1898 kam dann das Dritte hinzu, was dann auch erstmals ab Bergen fuhr. Es dauerte aber noch bis 1936, bis die Strecke wie heute täglich bedient wurde.
NORDLICHTER UND TROLLFJORD
Mit der Ausfahrt aus Stokmarknes war mit Fotografieren dann auch erstmal Schluss, denn die Dämmerung setzte ein und es war schon zu dunkel geworden, um während der Fahrt noch Aufnahmen zu machen. Also eine gute Gelegenheit, das Tagebuch wieder auf den aktuellen Stand zu bringen.
Sehr weit kam ich aber nicht, denn die Raucher unserer Tischgruppe fungierten auch als Nordlichtwache und gaben das Signal zum Sturm. Also wurde der schon bekannte Sprint zur Kabine unternommen, der Kamera geholt und dann auf Deck geeilt.
Diesmal war das Nordlicht hinter dem Schiff, zunächst noch schwach, später aber stärker. Leider vibrierte es hinten auf dem Schiff mehr als vorn, was das Fotografieren extrem erschwerte. Auf der anderen Seite sorgte das schäumende Wasser hinter dem Schiff für einen ganz besonderen Effekt. Das Nordlicht wurde immer stärker und entwickelte sich zu einem Strudel über den Bergen – nicht ganz so spektakulär wie gestern, aber dennoch faszinierend schön vor dieser Kulisse.
Später zog es dann seitwärts weiter, bis es vor dem Schiff angekommen war. Zur gleichen Zeit waren wir auch am Eingang des Trollfjords, welcher so ein wenig an den Konturen beleuchtet war. Dieser Effekt war viel besser, als die versuchte Beleuchtung vom Schiff aus mit den Suchscheinwerfern. Der Trollfjord ist nur 100m breit und 2,5km lang, aber seine Gipfel ragen fast 1000 Meter steil in die Höhe. Der Name des Fjords entstammt der Sagenwelt Norwegens, in der Trolle eine Rolle spielen.
Nach der Ausfahrt aus dem Trollfjord blieb ich noch ein wenig draußen, in der Hoffnung auf ein erneutes Aufflammen es Nordlichts, aber als nichts passierte ging auch ich wieder rein und es blieb etwas Zeit zur Erholung, bis wir im nächsten Hafen Svolvær ankamen.
MAGIC ICE IN SVOLVÆR
Es war natürlich schon wieder tiefste Nacht, insofern lohnte der Rundgang durch die Hauptstadt der Lofoten nicht mehr wirklich. Aber am Hafen gab es die Ausstellung Magic Ice, welche Eisskulpturen zur Schau stellt und die bereits auf der Hinfahrt auf dem Programm unserer kleine Gruppe stand, da aber mangels Zeit gestrichen werden musste. Stolze 128 NOK kostete der Eintritt, aber wenn ich schon mal hier war, wollte ich jetzt nicht an den paar Kronen sparen und in der Tat waren die Skulpturen beeindruckend und boten nochmal ein paar Fotomotive am späten Abend und ein Begrüßungsdrink war ja auch inklusive. Eine gute Gelegenheit also, mit Uschi, Gertrud, Bente, Sabrina, Jürgen und Christian auf die gelungene Reise anzustoßen.
Mehr Energie hatte dann nicht mehr und bin wieder aufs Schiff und habe die restliche Zeit bis zum Essen genutzt, um das Tagebuch endlich auf den aktuellen Stand zu bringen.
Das Highlight des Essens heute war eine leckere Fischsuppe. Als wir allerdings gerade beim Essen angekommen waren, kam die Durchsage, dass es schon wieder Nordlicht gab. Keiner von uns hatte jetzt wirklich Lust schon wieder raus zu sprinten, aber ich bin zumindest mal kurz hinaus, um sicher zu stellen, dass wir wirklich nichts verpasst hatten – was dann auch so war. Wir waren langsam verwöhnt…
Nach dem Essen habe ich dann noch versucht, Reste des Nordlichts einzufangen, was bei dem Seegang heute Abend ein hoffnungsloses Unterfangen war und so habe ich mich dann auch lieber in den Schlaf geschaukelt und den schönen Tag beendet.