Sind die lokalen Werkzeuge in Lightroom 11 besser als in Capture One Pro 21?

Wer meinen Blog verfolgt, weiß, dass ich nach vielen Jahren der Nutzung von Lightroom, in diesem Jahr zu Capture One gewechselt bin. Einer der Hauptgründe waren dabei die Ebenen- und Maskenfunktionen, welche Capture One besitzt.

Nun hat Adobe mit dem Jahresupdate 2021 im Oktober genau diesen Punkt adressiert und die bisherigen Lokalen Werkzeuge zu Ebenen zusammengefasst und deren Funktion dabei auch noch deutlich erweitert. In diesem Artikel möchte ich daher schauen, wie sich diese Änderungen auf meine Meinung zu Capture One auswirken und ob Lightroom vielleicht sogar durch das Update an Capture One vorbeigezogen ist.

Die neuen Maskierungsoptionen befinden sich in dem kleinen Kreis unter dem Histogramm.

Die alte Welt in Lightroom

Werfen wir aber zunächst einen Blick zurück, was bisher möglich war: Es gab Radial- und Linearen-Verlaufsfilter, sowie einen Pinsel, welche als lokale Anpassungswerkzeuge in Lightroom erhalten waren. Der Verläufe konnten dabei durch einen Pinsel auch noch angepasst werden. Dies hatte jedoch folgende Einschränkungen:

  • Es gab nirgends eine Übersicht aller lokalen Anpassungen
  • Anpassungen waren nicht benambar, d.h. es war nicht ersichtlich, welchem Zweck eine Anpassung diente, bevor man diese ausgewählt hatte
  • Es war nicht möglich einzelne lokale Anpassungen ein- oder auszuschalten. Dies ging nur global für alle Anpassungen in einem Werkzeug (z.B. alle linearen Verläufe)
  • Pro Anpassung waren nur ein Linearer oder Radialer Verlauf möglich. Die Kombination von beiden Werkzeugen in einer Anpassung war nicht möglich
  • Für die lokalen Anpassungen stehen nur Teile der Werkzeuge zur Verfügung

Die neue Welt in Lightroom

Ebenen

Mit dem neuen Release hat sich das grundlegend geändert. Lightroom hat nun auch Ebenen und pro Ebene kann man nun die 3 lokalen Werkzeuge recht flexibel miteinander kombinieren. Die Einführung von Ebenen beseitigt gleich 2 der bisherigen Schwachpunkte:

  1. Die Ebenen können benamt werden, was die Übersicht deutlich erhöht.
  2. Die Ebenen können einzeln ein- oder ausgeblendet werden, so dass man einzelne Korrekturen nun auch gezielt beurteilen kann.

D.h. in diesen beiden Punkten hat Lightroom zu Capture One den Anschluss geschafft.

Kombination von Werkzeugen

Neu ist – wie oben erwähnt – auch, dass man nun in einer Ebene die drei lokalen Werkzeuge miteinander kombinieren kann. D.h. in einer Ebene können nun z.B. 2 lineare Verläufe und ein radialer Verlauf und ein Pinsel gemeinsam genutzt werden, um eine möglichst präzise und schnelle Selektion zu erlauben. Bei jedem Werkzeug kann man zudem auswählen, ob dieses von der Maske abgezogen oder hinzugefügt werden kann. So kann man z.B. zunächst einen linearen Verlauf ziehen und dann davon einen Radialen Verlauf abziehen.

Ebenentypen in Lightroom

Aus meiner Sicht ist dies genau das, was ich von einer solchen Funktion erwarte und diese Flexibilität ist ein echter Zugewinn und macht damit einen der Schwachpunkte in Capture One noch offensichtlicher, denn hier ist es noch nichtmal möglich, einen linearen Filter mit einem Pinsel/Radierer zu kombinieren, ohne zuvor die Maske zu rastern (und damit die spätere Anpassbarkeit des Filters zu verlieren). Sprich selbst die alte Implementierung in Lightroom war in diesem Punkt schon besser als Capture One und die neue macht den Unterschied noch deutlicher.

In diesem Bild habe ich in einer Maske zwei lineare und einen radialen Verlauf miteinander kombiniert. Eine Maske kann theoretisch beliebig viele Verläufe und Pinsel enthalten

Automatische Auswahlwerkzeuge

Abgerundet werden die neuen Funktionen durch zwei automatische Maskierungsoptionen, mit denen mit einem Klick der Himmel oder das Hauptmotiv selektiert werden können. Zu meiner positiven Überraschung funktionierten diese Funktionen in meinen ersten Tests überraschend gut und die resultierenden Masken waren sehr präzise. Einzig bei in den Himmel ragenden Bäumen kam es bei stärkeren Anpassungen zu sichtbaren Säumen. In Summe aber eine sehr praktische Funktion. Und das nicht nur bei der Himmelsauswahl, denn auch die Motivauswahl war verblüffend gut in meinen Tests.

Beispiel Himmelsauswahl

Wie schon bei den normalen Werkzeugen, kann man auch die automatischen Auswahlwerkzeuge benutzen, um Inhalte zur Maske hinzuzufügen oder abzuziehen, d.h. man z.B. auch den Himmel automatisch von einer bestehenden Auswahl abziehen.

Beispiel Motivauswahl. Hier wurde recht gut die Kamera im Vordergrund ausgewählt. Kleinere Ungenauigkeiten kann man jederzeit jedoch noch selbst korrigieren. Noch besser funktioniert das mit Personen

Als Fazit kann man glaub ich zu Recht behaupten, dass dies eine der größten Neuerungen in Lightroom seit Jahren ist und eine, welche die Arbeit mit dem Programm deutlich nach vorn bringt.

Aber was ist nun mit Capture One? Bedeuten diese neuen Funktionen, dass ich wieder zurück wechsle?

Die Antwort ist „Nein“ und im folgenden will ich kurz beschreiben, warum dies trotz dieser neuen Funktionen weiterhin so ist.

Gründe, die weiter im Bereich Maskierung für Capture One sprechen

Eingeschränkte Werkzeugauswahl in Lightroom

Während die Art, wie lokale Werkzeuge in Lightroom funktionieren grundlegend überarbeitet wurden, blieben die lokalen Bearbeitungsmöglichkeiten, d.h. die Dinge, die im Bild verändert werden können unverändert. Es ist also weiterhin nicht möglich, einige Werkzeuge (z.B. Kurven und HSL) auch lokal zu nutzen.

Capture One kann dies und ist damit grundsätzlich flexibler in den lokalen Anpassungen.

Verfeinerung von Masken

Das Problem bei Masken – insbesondere, wenn man sie händisch zeichnet sind oft die Übergänge. Leicht kann es hier zu harten Kanten oder unschönen Halos kommen. Dies war auch schon immer ein Problem, mit dem ich in Lightroom gekämpft habe. Es gibt zwar die Automaskierungsfunktion beim Pinsel, aber die funktioniert halt auch nur bedingt. Luminanz- und Farbmasken sind da schon hilfreicher.

Capture One hat hier einiges mehr zu bieten. Zunächst besitzt auch Capture One eine Automaskierungsfunktion für den Pinsel, die allerdings genauso gut (bzw. schlecht) wie in Lightroom funktioniert.

Darüber hinaus gibt es allerdings auch noch die Optionen „Maske verfeinern“ und die Maske sanfter auslaufen zu lassen. Letzteres nutze ich selten, jedoch ist „Maske verfeinern“ ein häufiger Helfer, wenn es darum geht, Masken zu verbessern und ein natürliches Ergebnis zu erzielen.

Capture One hat zudem auch Luminanzmasken (wie Lightroom), allerdings lassen sich diese präziser Einstellen. So kann z.B. der Übergang getrennt für Lichter und Schatten eingestellt werden und auch die grundsätzliche „Härte“ der Maske.

Im Ergebnis sind schwierige Maskierungen in Capture One einfacher zu handhaben, da es mehr Werkzeuge gibt, um Masken möglichst harmonisch auslaufen zu lassen bzw. möglichst genau zu definieren.

Zauberpinsel

Der Zauberpinsel ist erst dieses Jahr nach Capture One gekommen und bereits jetzt ein häufiger Helfer in meinen Bearbeitungen. Er funktioniert ein wenig wie das Schnellauswahl-Werkzeug in Photoshop und erlaubt recht präzise Selektionen.

Auch wenn er bei weitem noch nicht perfekt ist (die Sensitivität/Toleranz ist selbst bei einer Einstellung von 0 noch zu hoch) und ein Zauberradierer fehlt, so ist es doch schon jetzt ein hilfreiches Werkzeug, welches es in der Form in Lightroom nicht gibt. Allerdings ist mit dem neuen Lightroom-Update mit der automatischen Himmels- und Motivauswahl der Abstand kleiner geworden.

Tastaturkürzel

In meinen Top-10-Funktionen aus Capture One waren sie auch schon vertreten: die Tastaturkürzel. Ich finde es unheimlich praktisch, wenn die wesentlichen Funktionen über einprägsame Tastaturkürzel erreichbar sind in einem Programm. Für die am häufigsten genutzten Funktionen sollten dies Kürzel mit nur einer Taste sein, während seltenere Funktionen ggf. auch mit 2 Tasten erreichbar sein sollten. Dabei sollten die Kürzel auch irgendwie einen Bezug zur gewählten Funktion haben. Beispiel: der Buchstabe L wäre gut geeignet für einen linearen Verlauf.

Leider hat hier Adobe nicht wirklich dazugelernt.

Zum einen gibt es weiterhin für einige Funktionen keine Shortcuts, wie z.B. um eine Ebene ein- oder auszublenden. Zum anderen sind die Shortcuts nicht immer einprägsam. Beispiele gefällig? Bitte sehr:

  • Maske invertieren: Hochkomma
  • Linearer Verlauf: M
  • Pinsel: K
  • Luminanzmaske einstellen: Shift+Q

Das wäre alles ja noch kein Problem, wenn man die Kürzel – wie in Capture One – anpassen könnte, aber auch das geht leider in Lightroom auch weiterhin nicht.

Oberfläche

Der letzte Punkt ist sicherlich ein Stück weit subjektiv. Die neue Oberfläche für die lokalen Werkzeuge in Lightroom ist mit ein Schritt nach vorn im Vergleich zur alten Oberfläche. Aber sie ist in meinen Augen zu unübersichtlich geworden, was z.T. an der Anzeige der Verschachtelungen in den Ebenen liegt. D.h. die Flexibilität in der Maskenerstellung hat leider einen negativen Effekt auf die Benutzeroberfläche gehabt. Insofern finde ich die Oberfläche in Capture One weiter übersichtlicher, zumal diese sich dort auch noch recht flexibel anpassen lässt, was in Lightroom nur sehr bedingt geht.

Immerhin kann man aber wählen, ob man das neue Masken-Fenster in die linke Werkzeugleiste integriert haben möchte, oder aber frei schwebend auf dem Bildschirm. Ich hätte mir hier zumindest auch die Option gewünscht, das Tool in die rechte Werkzeugleiste zu packen, um so etwas optimaler mit dem Platz umzugehen, da es in der linken Leiste doch recht viel Platz von der eh schon beschränkten Höhe wegnimmt.

Fazit

Adobe hat ein wirklich gutes Update ausgeliefert, welches die Maskierungsmöglichkeiten immens erweitert und teilweise auch innovative Funktionen mitbringt, die der Konkurrenz fehlen.

Es bleibt aber auch noch einiges an Raum nach oben und die Konkurrenzprodukte haben weiterhin auch sinnvolle Maskierungsfunktionen, welche weiter in Lightroom fehlen. Neben den hier aus Capture One angesprochenen Tools wären das z.B. auch die AI Quick Mask-Funktion aus On1-PhotoRaw oder das neue Line-Mask-Tool aus On1 PhotoRaw 2022.

An meiner Entscheidung, vorerst mit Capture One statt mit Lightroom zu arbeiten hat das Update von Lightroom nichts geändert, da nach wie vor einige Punkte mich in Capture One einfach mehr überzeugen. Trotzdem gefallen mir die Verbesserungen und in den Bildern, bei denen bei mir weiterhin Lightroom/Camera Raw zum Einsatz kommt (weil z.B. die Bilder in Capture One nicht oder falsch gelesen werden, wie bei Hochkant-HEIC-Dateien oder HDR-DNGs), werde ich die neuen Tools auch mit Sicherheit nutzen.

Alles in allem also ein tolles Update und auch gut für uns als Konsumenten, denn wenn die Hersteller der Software-Produkte immer weitere Verbesserungen liefern, spornt dies natürlich auch die Konkurrenz an. Insofern bin ich auch schon gespannt, was Capture One neben den bereits angekündigten Panorama- und HDR-Funktionen für die Zukunft für mich an Neuerungen bereithält.