Mit der MS Lofoten auf die Hurtigrute – Teil 11: Zurück in den Landen des Sonnenaufgangs
Wie schon gestern, hatte ich mich auch heute nach einer ruhigen Nacht gegen Viertel vor Acht aus dem Bett bewegt. Vor dem Frühstück wurden dann noch schnell die Bilder der letzten Tage gesichert, während ich mich wieder in eine halbwegs vorzeigbare Form brachte.
Der heutige Tag ist vor allem ein Tag auf See ohne nennenswerte Aufenthalte an Land, d.h. wer was mitbekommen wollte, musste an Deck, was dann auch direkt nach dem Frühstück mein Ziel war.
Ich kam gerade rechtzeitig, denn wenige Minuten später befanden wir uns auf 66°32’00N, 12°58‘42‘‘E und damit wieder genau auf der Grenze des Polarkreises, den wir diesmal in Richtung Süden überqueren sollten. Die Grenze wird markiert durch den Globus, der auf der kleinen Insel Vikingen steht. Es ist bereits der zweite Globus an dieser Stelle, denn ein Vorgänger wurde vom Sturm weggeblasen. Damit ist heute der erste Tag, an dem die Sonne offiziell wieder über den Horizont hinüber kommt. Bei der Hinfahrt hatten wir den Globus auch schon passiert, aber zu dem Zeitpunkt war es zu dunkel für ein richtiges Foto gewesen. Auch heute war es alles andere als hell, aber mit einer lichtstarken Festbrennweite gelang mir zumindest ein besseres Erinnerungsfoto als bei der Hinfahrt.
Ein älterer Herr, der die ganzen Tage immer mit Fernglas und GPS-Gerät an Deck stand, hatte allerdings bemerkt, dass der Polarkreis bereits 3 Minuten vorher überschritten (oder unterschritten, wie man es sieht) wurde und der Globus damit eigentlich zu weit südlich steht – also eine ähnliche Schummelei wie schon beim Nordkap – diese Norweger…
Für eine weitere Stunde hatte ich dann noch draußen fotografiert, denn es war verhältnismäßig klar und der Himmel zeigte eindeutige Anzeichen von Sonnenschein. Das Ganze wurde, wie so oft die letzten Tage, mit einer Landschaft flankiert, die optisch von einem Highlight zum Nächsten wechselte.
Um kurz nach 10 Uhr bin ich dann kurz einmal rein, denn es stand eine zweite Polarkreiszeremonie an. Da diese diesmal drinnen stattfand, war es unwahrscheinlich, nochmal Eis in den Nacken geschüttet zu bekommen. Aber auch diesmal gab es wieder einen Trunk und der ging im wahrsten Sinne des Wortes runter wie Öl, denn wir bekamen jeder einen Löffel Tran eingeschenkt.
Ich hatte mich an dem Spaß wieder beteiligt, denn immerhin durften wir den Löffel in Fischform behalten, auf dem „I did the Arctic“ steht. Den Tran selbst hatte ich mir auch ehrlich gesagt schlimmer vorgestellt. Letztlich war es wirklich wie pures Öl, nur mit einem leicht fischigen Nachgeschmack. Tran wird auch als Fischöl oder Polaröl bezeichnet, denn er wurde früher vornehmlich in den polaren Gewässern aus dem Fettgewebe von Walen und Robben gewonnen. Ein einziger Wal konnte dabei bis zu 5 Tonnen Tran liefern. Dies war dann auch der ursprüngliche Antrieb zum Walfang und nicht etwa das Fleisch des Wales, denn vor dem Abbau von Erdöl in größeren Mengen, war Tran der wichtigste flüssige Brennstoff der Welt. Nun bekamen wir allerdings keinen Tran von Walen – das wäre dann doch etwas übertrieben, sondern Lebertran und der wird aus der Leber von Kabeljau, Dorschen und anderen Fischarten gewonnen.
Lebertran stellt seit je her einen wichtigen Vitaminlieferanten dar und so stand früher ein Löffel dieses “köstlichen” Tran(k)s auf der täglichen Speisekarte aller Menschen hier im Norden (und selbst in Deutschland noch bis in die 1950er/60er Jahre).
Im Anschluss and die Zeremonie bin ich direkt wieder an Deck gegangen und habe bis zum nächsten Hafen Nesna erstmal die Landschaft genossen (natürlich nicht ohne das ein oder andere Bild zu schießen).
In Nesna angekommen waren wir doch wirklich ganz knapp davor, dass sich die Sonne über die Berge kämpft, aber ganz hatte sie es dann doch nicht geschafft. Da es ansonsten nichts über den Ort zu sagen gibt und auch nichts weiter zu sehen war, haben wir die Zeit wo das Schiff mal still stand genutzt, ein Gruppenfoto von unserer kleinen aber feinen Reisegruppe zu schießen, denn die ersten sollten uns Morgen schon verlassen. Dazu waren wir zum Eisbärenfell vor dem Speisesalon gegangen und wenige Minuten später hatten wir eine schöne Erinnerung aufs Bild gebannt.
Nach der Abfahrt war ich kurz nochmal an Deck gewesen, aber es zog sich gerade etwas zu und da die Uhr bereits 12 Uhr zeigte, bin ich zum Essen gegangen, denn um 12:30 Uhr sollten wir bereits in Sandnessjøen anlegen. Dort blieb uns immerhin eine halbe Stunde Aufenthalt, die ich für einen kurzen Spaziergang nutzen wollte.
Viel zu sagen gibt es über den Ort mit seinen rund 5,5 Tausend Einwohnern nicht und ebenso wenig gab es zu sehen, insofern blieb es bei einem kurzen Gang durch die Einkaufsstraße und zurück entlang der Hafenfront. Immerhin hatte es für ein paar Schnappschüsse gereicht und ich konnte mich etwas bewegen, denn das lange Stehen auf dem Schiff geht doch auf die Dauer etwas auf die Knochen.
Eigentlicher Star dieser Gegend ist aber auch nicht der Ort, sondern die Berge, die hinter ihm aufragen. Es handelt sich hierbei um die bekannte Felsformation „Die sieben Schwestern“, die direkt nach der Abfahrt zur linken Seite immer besser sichtbar wurde. Der Name der Bergkette geht auf eine norwegische Sage über diverse Könige im Trollreich und deren Töchter zurück. Die Töchter des einen Königs wollten eines Nachts einem anderen König gefallen und stellten sich nebeneinander in ihren aufreizendsten Posen auf (andere Versionen sprechen davon, dass sie auf der Flucht vor dem König sich hier versteckten). Unter den Königen gab es in dieser Nacht dann einigen Tumult und über die ganze Hektik vergaßen sie die Zeit, so das der Tag heranbrach. Trolle (auch Trollkönige), die aber bei Tagesanbruch nicht wieder in ihren Höhlen sind, versteinern und so geschah es mit den sieben Schwestern und den Königen, die heute die Inseln rund um diese Gegend darstellen. So oder so ähnlich soll es gewesen sein, aber wie auch immer, nach kurzer Zeit konnte auch ich die sieben Schwestern sehen, obwohl die Bergrücken eher an ein Krokodil, oder einen Drachen erinnerten.
Als wir den Gebirgszug schließlich hinter uns gelassen hatten, wurde es auch schon langsam dunkel und das letzte, was ich draußen noch gesehen hatte bevor ich reingegangen bin, war der Zwiebelturm der Alstahaug-Kirche. Entspannt habe ich dann die Zeit bis zum Hafen Brønnøysund mit dem Schreiben des Reisetagebuchs verbracht.
Brønnøysund erreichten wir um 15:45 Uhr und natürlich hatte die Dunkelheit uns um diese Zeit wieder mal eingeholt. Aber ich brauchte trotzdem dringend etwas Bewegung und so bin ich auch hier nochmal mit Stativ und Kamera losgezogen. Wie so viele Ort entlang der Küste, die wir in den vergangenen Tagen gesehen hatten, ist auch Brønnøysund keiner, von dem ich noch lange erzählen werde. Der Ort ist einer wie viele und das hier überhaupt etwas los ist, liegt wohl zum großen Teil an den täglich kommenden Hurtigrutenschiffen.
Ein paar Detailaufnahmen konnte ich dennoch mitnehmen, während der etwas über einen Stunde, die wir hier vor Anker lagen. Es blieb aber bei einem kurzen Rundgang entlang des Hafenbeckens mit einem kurzen Abstecher in die Einkaufsstraße, denn es war Samstag und hier steppte definitiv um diese Zeit nicht mehr der Bär.
Das war es dann auch schon wieder für den heutigen Tag. Ich hatte mich mit meinen Reisebekanntschaften in der Caféteria zusammengefunden und wir hatten den Rest des Nachmittags und frühen Abends mal mit mehr, mal mit weniger gehaltvollen Gesprächen verbracht. Auf jeden Fall hatten wir viel gelacht und eine gute Zeit gehabt.
Die letzte Stunde vor dem Abendessen hatte ich mich in die Kabine zurückgezogen, um etwas zu entspannen, bevor das Essen anstand.
Heute war das große Abschiedsdinner. Wir hatten zwar noch fast 2 Tage bis nach Bergen, aber viele Gäste hatten die Tour nur bis Trondheim gebucht. Das Menü war wirklich das beste der ganzen Reise und wir hatten ja schon tolle Mahlzeiten in den letzten Tagen. Aber es kam auch leichte Wehmut auf, schließlich war es der letzte Abend, den wir noch zu sechst verbringen würden – morgen sind wir derer nur noch fünf, denn für Uschi geht es ab Trondheim schon nach Hause.
Da wir nach dem Essen direkt in die offene Seepassage von Folda eingefahren sind, welche bereits auf der Hinfahrt uns mit stetigem Seegang beglückt hatte, beschloss ich mein Glück nicht weiter auf die Probe zu stellen und den Tag für heute zu beenden, zumal es auch schon kurz vor 23 Uhr war und wir morgen früh bereits 6:30 Uhr in Trondheim ankommen werden. Insofern war dieser Tag bislang der ruhigste der Reise und läutete die letzten Reisetage ein, die ebenfalls eher entspannt ausfallen werden, denn die größten Highlights der Reise hatten wir hinter und gelassen und so galt es einfach noch die gemeinsame Zeit zu genießen, bis diese Schiffsfahrt in Kürze auch für mich und den Rest unserer kleinen Truppe ein Ende finden würde.
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