Capture One – ein Kommunikationsdesaster
Wer meinen Blog verfolgt, weiß, dass ich 2021 nach vielen Jahren Lightroom (weitgehend) den Rücken zugekehrt und mich für Capture One als Raw-Konverter entschieden habe. Was ursprünglich nur ein Test aus Neugier war, hat sich am Ende so gut angefühlt, dass ich diesen Wechsel trotz des damit verbundenen Aufwands vollzogen habe. Bis heute habe ich diesen Schritt auch nicht bereut, auch wenn Adobe Lightroom in den letzten 2 Jahren viele tolle neue Funktionen spendiert hat, insbesondere im Bereich der Maskierungen.
Bei Capture One sind die Verbesserungen in den Versionen 22 und 23 hingegen eher mau ausgefallen. HDR und Panoramen sind eher halbherzig umgesetzt worden und mit dem neuen Perspektivtool hat man gerade mal Funktionen nachgeholt, welche Lightroom bereits seit langer Zeit besitzt. Die Funktionen der neuen Version 23 waren sogar so unrelevant aus meiner Sicht, dass ich auf das Update verzichtet habe, womit ich nicht der einzige war. Es ist schon bezeichnend, wenn eine Software die Änderungsmöglichkeit der Aufnahmezeit bei Fotos als eines der Hauptfeatures einer neuen Version anpreist!
Inhalt
Der Stein des Anstoßes
Kurz nach dem Erscheinen der Version 23 gab es dann eine Mail an alle Nutzer seitens Capture One, welche ich selbst mit viel Wohlwollen nicht anders als ein Desaster beschreiben kann. Hier die Mail im Originalwortlaut:
In dieser Mail teilte Capture One mit, dass es künftig keine jährlich neuen Versionen mehr geben wird. Folglich gibt es auch keine jährlichen vergünstigten Upgrades mehr. Vielmehr wolle man künftig kontinuierlich neue Funktionen ausliefern. Der Unterschied zum bisherigen Status Quo ist jedoch, dass die unterjährigen Versionen nicht mehr enthalten sind, wenn man eine Kaufversion von Capture One besitzt. Will man die neuen Funktionen haben, muss man eine neue Lizenz erwerben. Auch Bugfixes sind nun nicht mehr für ein Jahr inklusive, sondern nur noch bis zur nächsten Version, mit der neue Funktionen ausgeliefert werden. In der Vergangenheit waren dies rund alle 3-4 Monate.
Um den Verlust der vergünstigten Upgrades zu kompensieren, kündigte Capture One ein Treueprogramm an, ohne allerdings Details zu verraten.
Damit standen die Besitzer einer Kaufversion erst einmal im Regen. Man wusste, was sich alles zum Schlechteren verändert, blieb jedoch im Dunkeln, was das Treueprogramm angeht, welches ja Teile kompensieren sollte. Viele Nutzer verstanden die Mail damit – nicht ganz ungerechtfertigt – als ersten Schritt, die Kaufversionen abzuschaffen und Capture One nur noch als Abo zu vermarkten. Vor allem befeuerte die unvollständige Kommunikation aber eines: Spekulationen und negative Stimmung.
Anstatt jedoch schnell zu reagieren, beschloss Capture One die schlechte Stimmung für über einen Monat auszusitzen bis zum heutigen Tag, als man mehr Details zum Treueprogramm veröffentlichte. In der Zwischenzeit hatte man sogar darauf verzichtet, die Änderungen auf den Webseiten auch nur ansatzweise für neue Käufer transparent zu machen.
Die neue Realität ab 2023
Das Treueprogramm und damit die Situation für alle Besitzer einer Kaufversion sieht nun wie folgt aus:
- Bislang war der niedrigste Upgradepreis bei rund 150 EUR zur Einführung (209 EUR abzgl. 30% Rabatt). Künftig beträgt er 209 EUR, sofern man die letzte Version vor 12 oder weniger Monaten erworben hat
- Liegt der letzte Kauf 12-24 Monate zurück, beträgt der Upgradepreis künftig 279 EUR.
- Liegt der letzte Kauf mehr als 24 Monate zurück, muss man den vollen Lizenzpreis zahlen. Man kann allerdings mit einem Rabatt von 20% für das erste Jahr in das Abo-Modell wechseln und behält seine bisherige Lizenz (aktuell verliert man die aktuelle Kauflizenz beim Wechsel ins Abo und so steht es aktuell auch noch auf der Webseite!).
Neu beim Abo-Model ist zusätzlich, dass bei einer Kündigung nun eine Kauflizenz vergünstigt erworben werden kann. Der Rabatt startet dabei mit 20% nach 2 Jahren bis 100% nach 6 Jahren. Sprich nach 6 Jahren erhält man bei Kündigung die aktuelle Lizenz als Kauflizenz gratis.
Im Ergebnis ist dies für Besitzer einer Kauflizenz eine deutliche Preiserhöhung um rund 40% (jährliches Update), 90% (Update alle 2 Jahre) oder 250% (Update nach mehr als 2 Jahren).
Gleichzeitig erhält man nicht mehr – wie bisher – neue Funktionen, welche innerhalb des Jahreszyklus einer Version hinzugefügt werden.
Ebenfalls erhält man nur noch Bugfixes bis zur nächsten Funktionserweiterung. Dies kann im Zweifel bereits nach einem Tag der Fall sein. Bislang gab es Bugfixes bis zur nächsten Hauptversion (im Optimalfall also 1 Jahr).
Am Ende gibt es also für Besitzer von Kaufversionen durchweg nur Verschlechterungen. Für Besitzer des Abos gibt es eine geringfügige Verbesserung durch den vergünstigten Erwerb einer Kaufversion, wenn man das Abo beendet.
Mein Fazit
Selten habe ich eine so schlechte Kommunikation gesehen, wie es Capture One in den letzten Wochen dargeboten hat. Mit dem gewählten Vorgehen dürfte sich die Firma keinen Gefallen getan und auf absehbare Zeit viel Kredit bei seinen Nutzern verspielt haben.
Die nun vollzogenen Änderungen sind am Ende eine weitere deutliche Preiserhöhung eines bislang schon nicht sehr günstigen Produktes im Vergleich zur Konkurrenz.
Ungeachtet dessen bin ich aber nach wie vor der Meinung das das Programm selbst ein sehr guter Raw-Konverter ist, der für mich eine sehr effiziente und qualitativ hochwertige Bildbearbeitung ermöglicht. Gerade im Bereich der Konfigurierbarkeit und Bedienbarkeit ist Capture One für meinen Geschmack deutlich vor Lightroom. Insofern werde ich trotz all des Ärgers weiter mit Capture One arbeiten.
Allerdings werde ich auch weiter nicht auf das Abo zurückgreifen, aus folgenden Gründen:
- Bei einer Kündigung des Abos kann man gar nicht mehr auf Capture One zugreifen. Dies ist anders als bei Lightroom, wo nach einer Kündigung in Lightroom noch alles funktioniert, bis auf das Bearbeiten- und Karten-Modul (man kann künftig allerdings vergünstigt eine Kaufversion erwerben)
- Capture One hat zuletzt kaum Funktionen herausgebracht, welche den Preis von Upgrades oder eines Abos rechtfertigen. Das Abo ist selbst bei jährlicher Zahlweise fast 3x so teuer wie das Lightroom Abo im Angebot. Bei Lightroom ist jedoch auch noch Photoshop, Mobilversionen für Apple UND Android, 20GB Cloudspeicher und eine kostenfreie Webseite (Adobe Portfolio) enthalten).
- Capture One hat kein gutes Testmanagement und die Bugbehebung ist mehr als schleppend. Ich habe bislang in keiner Software in so kurzer Zeit so viele Bugs gefunden. Nach der Meldung an den Support mit Beispielen etc. ist es in der Regel so, dass man mit Standardantworten abgefrühstückt wird und man sich die Beispiele nicht mal angeschaut hat, um das Verhalten zu reproduzieren. Erst nach mehrfachem Hin und Her werden die Fehler dann eingeräumt. Eine Behebung erfolgt dann jedoch erst mit erheblichem Zeitverzug. Künftig ist damit quasi ausgeschlossen, dass man als Besitzer einer Kaufversion noch Bugfixes erhält.
Gleichzeitig ist das Testing im Vergleich zu Adobe nicht wirklich extensiv. Adobe startet die Betatests vor für die Jahresversionen meist rund 5 Monate vor dem Release. Dazu werden jeweils umfassende Informationen zu den Änderungen bereitgestellt. Capture One hingegen startet die Betatests gerade mal 4 Wochen vor dem Release mit jeweils nur rund 1 Woche zum Testen. Folglich ist die Qualität der Releases auch deutlich schlechter als bei Adobe. - Zuletzt wurden hauptsächlich Funktionen hinzugefügt, welche nochmals extra kosten (Live-Sessions, Capture One für Ipad) und die hauptsächlich für Mac-User relevant sind. Als Windows-Nutzer zahlt man aber indirekt dafür mit, ohne einen Nutzen zu haben
- Es gibt keine Roadmap. Gerade bei dem aufgerufenen Preis, wäre es wichtig zu wissen, was man als Gegenleistung erhält. Beim Adobe Abo gibt es verteilt auf das Jahr in Lightroom und Photoshop so viele Neuerungen, dass die umgerechnet weniger als 8 EUR im Monat sich immer lohnen.
Da ich das Upgrade auf Version 23 nicht in Anspruch genommen habe, würde mich das Update auf die nächste Version ganze 279 EUR kosten. Dafür muss die gebotene Mehrleistung schon ziemlich erheblich sein. Die Verbesserungen der letzten beiden Jahre wären dafür nicht annähernd gut genug. Einen Wechsel auf das Abo-Model werde ich ebenfalls nicht vornehmen, solange ich nicht wirklich einen großen Mehrwert im Sinne von mehr und besseren neuen Funktionen sehe.
Bis dahin werde ich also weiter mit Capture One 22 arbeiten, denn trotz all dem Ärger habe ich bislang keine Alternative mit der ich genauso gut oder besser zurechtkomme. Mein Lightroom-Abo habe ich allerdings auch immer noch, da aufgrund der auch nach 2 Jahren nicht behobenen Bugs/Einschränkungen noch nicht alle Bilder in Capture One bearbeitet werden können.
Es bleibt also am Ende ein Lehrstück in schlechtem Marketing, was letztlich ein gutes Produkt in ein negatives Licht zieht. Well done Capture One….
Nachtrag 02.02.: Ein Interview mit Capture One CEO Rafael Orta
Am 02.02.2023 hatte Paul Reiffer, dessen Capture One Tutorials wirklich exzellent sind, die Chance auf Youtube ein Interview mit dem CEO von Capture One zu führen:
Dieses Interview wäre eine gute Chance gewesen, sich für das Chaos in den Wochen zuvor und die misslungene Kommunikation zu entschuldigen und die Wogen bei den Nutzern zu glätten.
Leide wurde diese Chance vertan, was nicht an Paul Reiffer lag, der durchaus die richtigen Fragen der Community an Rafael Orta weitegeben hatte. Dieser schwurbelte jedoch vor sich hin und am Ende blieb es bei Marketingfloskeln. Ein paar Dinge kann man jedoch durchaus aus dem Interview mitnehmen:
- Capture One sieht seine Kernkunden in professionellen Berufsfotografen. Enthusiasten sind willkommen, aber nicht die Zielgruppe
- Capture One hat aktuell rund 250.000 Kunden (zum Vergleich: Adobe hat für die Creative Cloud insgesamt rund 30 Mio. Abonnenten (Stand Ende 2022, Quelle)
- Es gibt keine Roadmap, die man den Nutzern mitteilen möchte
- Man sieht sich nicht in Konkurrenz zu Adobe, sondern als Produkt mit einem anderen Ansatz (der mir jedoch nicht klar ist)
- Fortschritte sieht man insbesondere in der Verknüpfung mit dem Ipad (welche für Windows-Nutzer wertlos ist)
- Die Änderungen hatten das Ziel, den Abonnenten einen Mehrwert zu bieten. Dies hat man mit der ermäßigten bzw. kostenfreien Version nach Beendigung des Abos getan, mit der Verteuerung der Kaufversion und dem reduzierten Support der Kaufversion
Am Ende also nicht wirklich ermutigend. Trotzdem bleibe ich dabei, dass für meine Art zu arbeiten, Capture One weiter der beste Raw-Konverter ist. Ich bin allerdings auch nicht so tief investiert, dass ich nicht jederzeit zu einer Alternative wechseln könnte. Zumindest werde ich hier kein Abo abschließen, solange die neuen Funktionen so gering oder unausgereift ausfallen, wie in den vergangenen 2 Jahren und die Software weiterhin durch Bugs, welche nicht oder nur zögerlich behoben werden, auffällt.
Würde ich Capture One heute überhaupt noch jemandem empfehlen? Als Alternative zum Abo bei Lightroom sicher nicht. Wer Abos nicht mag, sollte nicht deshalb C1 als Alternative sehen. Wer auf einen effizienten Arbeitsablauf in der Bildbearbeitung und perfekte Farbkontrolle wert legt, dem würde ich aber immernoch empfehlen, sich Capture One einmal anzuschauen, denn das Programm mit seinen Kernfunktionen in der Bildbearbeitung ist wirklich gut. schade nur, dass man nicht mehr draus macht.
Schöne Zusammenfassung.
Ich finde die Änderungen eine Unverschämtheit. Besonders als Fuji User gibt es keine vernünftigen Alternativen was die Qualität der RAW Conversation angeht. Sonst wäre ich jetzt schon umgestiegen.
Hallo Jens,
ich sehe das genauso. Das Interview mit Rafael Orta habe ich mir auch angesehen. Viel Drumherum-Gerede und am Gesichtsausdruck von Paul Reiffer war öfters zu erkennen, dass er sich von den Antworten mehr erhofft hatte. Ich arbeite auch mit der Version 22 weiter und warte ab, was sich weiter tut. Sollte C1 bei Neuerungen einen großen Schritt nach vorne machen, kann evtl. auch eine neue Kaufversion ein Thema sein. Aber da müssen schon einige interessante Dinge dabei sein. Zurzeit nichts davon zu sehen. Ich habe mir ON1 als eventuelle Alternative genauer angesehen. Funktional wird das sehr viel geboten. Aber im RAW-Kerngeschäft ist einiges noch nicht so gut ausgereift. Zurzeit sehe ich DxO als erste Alternative. Zwar nicht der Funktionsumfang von C1. Aber in Sachen Entwicklungsqualität auf Augenhöge mit C1, dazu die erstklassige Rauschentfernung.
Wartes wir es ab …
Danke für diesen Bericht. Nach Apples Ausstieg aus dieser Szene suche ich immer noch nach einer hochwertigen Alternative. Soweit ich bei meinen Freunden beurteilen kann, ist dieser Markt riesig.
C1 scheint mir die einzige starke Konkurrenz zu LR zu sein. Insgesamt jedoch, finde ich den Funktionsumfang mit LR+PS stärker. Umso mehr verwundert mich, dass C1 unterm Strick teurer ist.
So wird Adobe preislich attraktiv für mich und erhält eine immer grössere Nutzerbasis. Das ist echt ein Elend.
Nachdem ich DxO Photolab ausgiebig getestet habe und bei einigen Dingen, wo ich mich bei früheren Tests schwer getan habe, jetzt der Groschen gefallen ist, steht fest: DxO wird mittelfristig der Nachfolger, wenn sich an der Geschäftspolitik von C1 nichts ändert.
Tonwertkorrekturen, insbes. Spitzlichter: Die Regler von DxO sind anders (nicht ganz optimal) abgestuft. Aber zusammen mit dem Smart-Lightning funktioniert es sehr gut und man erreicht alles, was auch mit C1 geht.
Maskierungen: Sehr präzises Maskieren geht über die DxO-Kontrollpunkte oft einfacher. Der Zauberpinsel von C1 ist zwar ein sehr leistungsfähiges Werkzeug, nimmt aber auch mit niedrigster Toleranzstufe öfters zu viel mit.
Rauschentfernung: Nach meinen Vergleichen ist DeepPrime XD insgesamt das beste Verfahren. Einfach ins Eingangspreset mit aufnehmen, dann hat man in Sachen Rauschen quasi das Rundum-Sorglos-Paket.
Detailwiedergabe: C1 ist hier sehr gut. Aber DxO zeigt, dass es noch einen kleinen Tick besser geht.
Bei den Katalogfunktionen ist C1 gegenüber der DxO-Fotothek besser. Auch Pano, HDR, Schärfemaske… da sind einige Dinge, die es bei DxO nicht gibt. Aber in der eigentlichen RAW-Entwicklung ist DxO auf Augenhöhe mit C1 und in Teilen sogar besser.