Wie gut ist der IBIS der Olympus OMD E-M5 Mark II?

Eine Faustregel in der Fotografie lautet, dass für scharfe Bilder die Belichtungszeit kürzer als 1/(Brennweite im 35mm Äquivalent) sein muss. Wer also ein einer Vollformat (35mm)-Kamera fotografiert mit einer Brennweite von 50mm kann maximal eine Belichungszeit von 1/50stel Sekunde aus der Hand halten für ein scharfes Bild. Mit geeigneten Kamerahalte- und Atemtechniken kann man diesen Wert zwar noch etwas stressen, aber im Grundsatz passt diese Regel.

Für Micro Four Thirds muss man noch den Crop-Faktor von 2 Berücksichtigen. Fotografiere ich z.B. mit dem 12-40mm f2.8 Zoom bei 40mm, entspricht dies einem Blickwinkel von 80mm im KB-Äquivalent. D.h. meine Belichtungszeit sollte kürzer als 1/80stel Sekunde sein.

Kann man diese Belichtungszeiten nicht einhalten, so hat man verschiedene Möglichkeiten:

  • ISO erhöhen (Erhöht das Bildrauschen)
  • Blende öffnen (Verringert die Tiefenschärfe)
  • Stativ verwenden (ist allerdings auch eine weitere Sache, die man mit sich rumschleppt)
  • oder aber einen Bildstabilisator entweder in der Kamera oder im Objektiv

Die Olympus OMD E-M5 II hat insbesondere wegen ihres Stabilsators in der Kamera Aufmerksamkeit erregt, da er besser sein soll, als alles, was es bislang gab. Natürlich kann auch er ein Stativ nicht vollständig ersetzen (30s aus der Hand sind damit auch nicht mgl), aber in vielen Fällen sollen damit Bilder aus der Hand möglich sein, wo man vorher ein Stativ brauchte.

Der Olympus-Bildstabilisator gehört zu Klasse der In-Body-Stabilisatoren (IBIS). Daneben gibt es auch noch die Stabilisatoren im Objektiv (OIS). Normalerweise ist ein IBIS ein 2-Achsen Stabilisator, d.h. er kompensiert horizontal und vertikal. Solchen einen Stabilisator hat z.B. die Panasonic GX7 oder aber auch die Sony-SLT-Kanmeras. In der Regel sind in diesem Fall Objektivstabilisatoren (OIS) dem IBIS überlegen, vor allem, da sie auch das Sucherbild stabilisieren.

Die Olympus E-M1 und E-M5 (einschließlich der neuen E-M5 Mark II) verfügen über einen IBIS der neuen Generation, der nicht nur in 2 Achsen kompensiert, sondern in 5 Achsen. D.h. er kompensiert

  • horizontales Zittern (links/recht)
  • vertikales Zittern (hoch/runter)
  • Kippen der Kamera (vor/zurück)
  • Kippen der Kamera (rechts/links)
  • Drehen der Kamera

Dazu gibt es auch die Option, dass der Sucher bereits stabislisiert ist, sobald der Auslöser halb durchgedrückt ist.

Nun verspricht Olympus vollmundig, dass mit der neuesten Generation des IBIS in der E-M5 Mark II bis zu 5 EV-Kompensation möglich sind. 5 EV heisst, dass die Belichtungszeit im den Faktor 2^5 länger sein kann, als ohne Stabilisator und trotzdem noch scharfe Bilder möglich sind. 2^5 entspricht einen Faktor von 32, d.h. wenn man ohne Stabilisator eine 1/100stel Sekunde gebraucht hat, soll mit Stabilisator je nach Situation bis zu 1/3s aus der Hand möglich sein.

Nachfolgend ein paar Beispiele, die ich in den letzten Urlauben in Venedig und Asien mit der E-M5 II gemacht habe, die quasi das extremste darstellen, was für mich möglich war.

1.3s, f2.8, ISO 200, 15mm

1.3s, f2.8, ISO 200, 15mm

Dieses Bild in einer recht dunklen Kirche wurde mit 15mm aufgenommen an der Olympus, d.h. im KB-Äquivalenz wäre eigentlich 1/15tel Sekunde Belichtungszeit notwendig gewesen. Hier habe ich ganze 1,3s aus der Hand belichtet und wie ihr im nächsten Screenshot sehen könnt, ist das Bild scharf geworden (die leichte Unschärfe kommt von der Komprimierung des Screenshots):

100%-Crop des vorherigen Bildes

100%-Crop des vorherigen Bildes

Natürlich ist es nicht so, dass nun jedes Bild gelingt, wenn die Belichtungszeit so lang ist. Ausschuss ist natürlich dabei. Der Punkt ist aber, dass es überhaupt möglich ist, scharfe Bilder bei diesen Belichtungszeiten zu erhalten. Mit all meinen vorherigen Kameras (IBIS) und Objektiven (OIS) war dies so nicht möglich.

Das folgende Bild entstand in Singapur zur Blauen Stunde am Merlion Park. Auch hier habe ich die ISO niedrig bei ISO 200 gelassen und auch die Blende bis auf f4 geschlossen, für eine entsprechende Tiefenschärfe. Daraus resultierte eine Belichtungszeit von 0,6s, die den Wasserstrahl aus dem Löwen bereits schon fließen lies:

0,6s, f4.0, ISO200, 12mm

0,6s, f4.0, ISO200, 12mm

Nachfolgend wieder eine 100%-Ansicht des Bildes. Auch hier ist die Aufnahme scharf genug geworden in einer Situation, in der sonst nur mit Stativ fotografiert werden könnte, was bei den Menschenmengen schwer gewesen ist.

100%-Crop

100%-Crop

Der Stabilisator funktioniert aber nicht nur bei Weitwinkelaufnahmen. Die nächste Aufnahme entstand im Dom von Verona. Wieder eine dunkle Kirche. Für die Detailaufnahme habe ich das 12-40mm bis zum langen Ende gezoomt. D.h. eigentlich wäre hier 1/80stel Sekunde notwendig gewesen. Stattdessen wurde das Bild mit 0,6 Sekunden aufgenommen, d.h. sogar etwas mehr als die 5EV länger!

0.6s, f4.0, ISO200, 40mm

0.6s, f4.0, ISO200, 40mm

Auch hier wieder ein 100%-Crop, der zeigt, dass die Aufnahme gestochen scharf ist, trotz der langen Belichtungszeit:

100%-Crop

100%-Crop

Noch etwas weiter habe ich es im Palazzio Ragione in Padua getrieben. 40mm (80mm KB) bei 0,8s. Die Schärfe ist hier etwas schwerer zu beurteilen, da das Wandgemälde nicht ganz klare Konturen hat und damit an sich schon etwas verschwommen ist. Trotzdem ist das Ergebnis selbst für größere Drucke noch absolut ok:

0.8s, f4.0, ISO200, 40mm

0.8s, f4.0, ISO200, 40mm

Hier wieder der 100%-Crop:

100%-Crop

100%-Crop

Nach den 40mm gehen wir nun noch einen Schritt weiter und nehmen noch mehr Tele in Form des Olympus 75mm f1.8.Gerade mal 1/5tel Sekunde betrug die Belichtungszeit im folgenden Bild, wo eigentlich 1/150stel notwendig gewesen wäre:

1/5s, f2.0, ISO200, 75mm

1/5s, f2.0, ISO200, 75mm

Der Crop zeigt auch hier wieder, dass die Aufnahme scharf ist:

100%-Crop

100%-Crop

Und noch ein finales Beispiel, wieder bei 75mm und diesmal bei 1/10s in Venedig nach Sonnenuntergang:

1/10s, f1.8, ISO400, 75mm

1/10s, f1.8, ISO400, 75mm

Und der Crop dazu:

100%-Crop

100%-Crop

Fazit:

Werbeversprechen sind ja immer mit Vorsicht zu genießen, doch im Falle des Bildstabilisators der E-M5 II hat Olympus in der Tat nicht zu viel versprochen. Es war mir in den letzten Monaten möglich Bilder aus der Hand zu machen, wo früher nur ein Stativ oder eine höhere ISO geholfen hatte. Natürlich ist bei solchen Belichtungszeiten Ausschuss dabei – alles andere wäre nun wirklich ein Wunder. Aber das es überhaupt möglich ist, Bilder mit 1,3s Belichtungszeit zu machen, welche ein gutes, brauchbares Ergebnis erzeugen ist für mich schon faszinierend.