Reisebericht Ostküste: 09.05.2007 – Auf den Spuren der amerikanischen Verfassung in Philadelphia

Nachdem wir ja gestern in Philadelphia angekommen sind, stand heute eine kleine Stadtbesichtigung auf dem Programm. Der Blick aus dem Fenster ließ jedoch nichts gutes verheißen, denn es war ziemlich neblig. Im Internet gibt es eine freie selbsterklärende Tour durch die Stadt, die „Constitutional Walking Tour„. Vom Hotel aus brachte uns der kostenlose Shuttle zum Flughafen, von wo aus ein Zug direkt ins Zentrum nach Philadelphia fährt. Die einfache Fahrt hat 5,50 USD gekostet und dauerte knapp 20 Minuten. In der Stadt hatte uns dann aber auch schon die Sonne wieder. Dies sollte auch, entgegen aller Vorhersagen, den Rest des Tages so bleiben.

Zunächst ging es zum Independence Visitor Center, wo man kostenlose Tickets für einige der Attraktionen erhält. Insbesondere die Karten für die Independence Hall sollte man sich frühzeitig besorgen. Bei uns war es kein Problem und wir erhielten Tickets für 9:45 Uhr.

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Also ab dann zur Independence Hall, wo (wieder mal) wir und das Gepäck durchleuchtet und immernoch für unbedenklich befunden wurden. Ein netter Ranger vom National Park Service nahm uns dann in Empfang und führte uns zunächst in ein Nebengebäude, wo es eine kleine Einleitung gab. Danach ging es in die Independence Hall. Der erste Saal sieht wie ein Gerichtssaal aus und war auch mal einer.

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Hier war der oberste Gerichtshof Pennsylvanias. Einst hing über dem Richterplatz das Emblem von König George, was aber während der Unabhängigkeitsbewegung verbrannt wurde.

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Der für Amerika wichtigere Raum befindet sich jedoch ein Zimmer weiter. Hier im Assembly Room trafen sich am 04. Juli 1776 Vertreter der 13 Kolonien auf amerikanischen Boden um im Rahmen des 2. Kontinentalkongresses über die Unabhängigkeitserklärung abzustimmen. Es war jedoch nicht die erste Abstimmung über die wesentlich von Thomas Jefferson erarbeitete Erklärung. Zunächst stimmten North- und South Carolina nicht dafür, da die Abschaffung der Sklaverei nicht in ihrem Sinne war. Selbst am 04. Juli stimmten nur 12 der 13 Kolonien zu – New York stimmte dagegen. So fand die Unterzeichnung auch nicht am 04. Juli statt, wie man vermuten könnte, sondern erst am 02. August 1776, als New York dem immer größer werdenden Druck nachgab.

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Interessant ist auch, dass die Verabschiedung und Verkündung der Unabhängigkeitserklärung keinesfalls das Ende der Unabhängigkeitsbewegung in Amerika war. Vielmehr standen erst noch harte Kriegsjahre bevor, denn Großbritannien war natürlich nicht bereit diese Erklärung einfach so hinzunehmen.

Der gleiche Raum kommt 11 Jahre später 1787 nochmals zu größerer Bedeutung als sich Vertreter der Kolonien abermals trafen, um über eine Verfassung zu diskutieren.

Der Stuhl an der Spitze der Versammlung hatte eine Sonne auf der Lehne, wobei unklar ist, ob diese auf- oder untergeht. Benjamin Franklin (Mitunterzeichner der Erklärung) sagte nach der Verabschiedung der Unabhängigkeitserklärung, da er lange nicht wusste, ob die Sonne den Untergang oder den Aufstieg der jungen Nation bedeuten würde, doch jetzt nach der Unterzeichnung sei er sich sicher, dass es der Anfang ist.

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Neben der Independence Hall ist die Congress Hall, in der zwischen 1790 und 1800 der amerikanische Kongress tagte, bevor er nach Washington DC ging. Im Untergeschoss traf sich das House of Representatives. Hier waren alle Bundesstaaten gewichtet nach dem Bevölkerungsanteil vertreten. Sklaven zählten dabei nur zu 3/5.

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Im Obergeschoss saß der Senat. Hier war jeder Bundesstaat gleichwertig mit 2 Sitzen vertreten. Hier nahm auch George Washington seinen Amtsschwur ab.

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Über dem Saal findet man auch ein großes Abbild des Weisskopfseeadlers, dem Wappentier der USA. Der Adler trägt in der (vom Betrachter aus) rechten Kralle einen Olivenzweig – das Zeichen für Frieden. In der linken Kralle trägt er Pfeile als Symbol für Kampf. Er schaut jedoch zum Olivenzweig, was in der Bedeutung „Wir wollen Frieden, sind aber bereit zu kämpfen“ heißen soll. An einigen Stellen sieht man den Adler auch noch mit einem Band im Mund. Dieses Band enthält den lateinischen Wahlspruch der USA: Aus vielen Eines.

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Nächster Halt war dann die Liberty Bell, wo es erstmal wieder die üblichen Sicherheitskontrollen gab. Die Liberty Bell hing einst als Glocke in der Independence Hall. Die in England gefertigte Glocke brachte jedoch nur kurze Freude, denn bereits 1776 beim Glockenläuten zum Geburtstag von George Washington erhielt die Glocke einen Riss. Man versuchte den Riss zu reparieren, doch die Reparatur hielt nur kurz. 1835 gab es einen neuen, noch größeren Riss an der gleichen Stelle, der irreparabel war. Die Glocke wurde darauf hin von der Independence Hall abmontiert und ausgestellt. Die Inschrift ist ein Zitat der Bibel (Moses, „Verkündet die Unabhängigkeit im ganzen Land“). Neben der Glocke findet man in dem Ausstellungsgebäude auch viele interessante Informationen.

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Danach führte der Weg vorbei an der Philosophischen Gesellschaft (von Benjamin Franklin gegründet) zum Washington Square, wo ein Denkmal für General George Washington und symbolisch für einen der unter ihm dienenden Soldaten aufgestellt wurde. Vor dem Denkmal befinden sich die Flaggen der dreizehn Gründungskolonien, sowie die erste Flagge der USA (wie heute mit den 13 Streifen, die die Gründungskolonien repräsentieren, jedoch damals nur mit 13 Sternen links oben).

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Weiter ging es entlang der ersten öffentlichen Bibliothek zur zweitältesten Bank der USA, deren Gebäude dem Panthenon in Athen nachempfunden. ist.

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Nächster wichtiger Halt war die Merchants Exchange, die erste Aktienbörse in den USA. Diese wurde notwendig, um finanzielle und Handelsaktivitäten zu Beginn des 19. Jahrhunderts besser abwickeln zu können.

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Nur wenige Meter entfernt steht die City Tavern, in der sich die Mitglieder der beiden Kontinentalkongresse getroffen hatten. Kontinentalkongresse waren Zusammentreffen von Mitgliedern der Kolonien, als sie noch nicht unabhängig waren.

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Nur ein paar Schritte weiter stand dann auch schon die erste Bank Amerikas.

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Der nächste Halt war Carpenters Hall, Treffpunkt des ersten Kontinentalkongresses. Dieser schlug König George III in England eine modifizierte Zusammenarbeit der Kolonien mit dem englischen Königreich vor. Wie wir wissen, war King George nicht auf das Angebot eingegangen und es kam zum Unabhängigkeitskrieg.

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Auf dem Rundgang kommt man auch an dem Platz vorbei, wo einst das Haus von Benjamin Franklin stand, genauso wie seine Druckerei. Beides steht jedoch heute nicht mehr. An der Stelle (Franklin Court) markieren jedoch Gerüste, die ehemaligen Standorte der Häuser.

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Durch das Hafenviertel, vorbei an der Elfreth’s Alley, der ältesten Wohnstrasse der USA ging es dann zum Delaware River. Philadelphia bietet jedoch keine so beeindruckende Ansicht von dieser Seite.

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Nach einem kurz Durst-Tankstop bei Starbucks ging es zum Betsy Ross House. Betsy Ross erhielt von George Washington den Auftrag die erste Amerikanische Flagge zu designen. Bis heute ist jedoch nicht endgültig erwiesen, dass die Stars and Stripes auch von ihr stammen. Dem Geschäft tut dies jedoch keinen Abbruch und so erzählt man die Geschichte einfach weiter und vielleicht ist sie ja auch wahr…

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Weiter ging es zum Friedhof auf dem Benjamin Franklin begraben ist. Geboren in Boston, fand ein Großteil seines Wirkens hier in Philadelphia statt. So arbeitete er an der Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung mit, war Verleger und Wissenschaftler. Die Welt verdankt ihm den Blitzableiter – hättet ihr das gewusst – ähnliches haben unsere Politiker jedenfalls nicht vorzuweisen.

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Letzer Halt war das Declaration House, jenes Gebäude in dem Thomas Jefferson wohnte, als er die Unabhängigkeitserklärung schrieb.

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Nach einer kurzen Stärkung habe ich beschlossen, mir noch das Constitutional Center anzuschauen, ein Museum rund um die Unabhängigkeit und Verfassung der USA. Der Eintritt kostet 12 USD und los geht es mit einer ca. 20 minütigen Multimedia Show. Danach kann man in einem Rondell die Geschichte der Unabhängigkeit und Verfassung verfolgen. Dabei wechseln sich kurze Filme, Zeittafeln und interaktive Elemente ab. Ich fand es sehr informativ und die 2h, die ich hatte (dann war leider Feierabend), waren etwas zu kurz. Zwischen 3 und 4h ist die optimale Zeit, um dieses Museum zu erkunden. Zum Schluss kann man noch die Verfassung mit unterzeichnen. Die Verfassung der USA ist die älteste der Welt und Vorbild für viele der heutigen Grundlagengesetze der Welt, so auch für das Grundgesetz der BRD. Die Verfassung wurde bis heute 27 mal modifiziert. Die ersten 10 Amendmends (Zusätze) werden auch Bill of Rights genannt. Sie sind die Grundrechte.

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Danach ging es wieder zurück ins Hotel, wo ich gerade meinen kleinen Bericht hier schreibe. Morgen geht es dann weiter nach Gettysburg, dem geschichtlichen Bürgerkriegszentrum meiner kleinen Reise.

Fazit:

  • im historischen Zentrum Philadelphias kann man einen guten Einblick in die Unabhängigkeitsbewegung erhalten.
  • Für den historischen Teil reicht ein Tag gut aus. Man sollte nur alle Führungen und Touren zu Beginn machen, da fast alles gegen 17 Uhr schließt und dann die Teile ablaufen, wo man nicht auf Öffnungszeiten angewiesen ist.

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